Zivilprozess- und Zwangsvollstreckungsrecht für Rechtsreferendare

 

 

 

 I. Einführung

II. Arrest

  1. Begriff und Voraussetzungen des Arrests
  2. Zuständigkeit des Gerichts
  3. Arrestgesuch
  4. Prüfung durch das Gericht
  5. Arrestentscheidung
  6. Vollziehung des Arrests
  7. Klausurproblem

III. Die einstweilige Verfügung

  1. Begriff und Voraussetzungen
  2. Zuständigkeit des Gerichts
  3. Verfügungsgesuch
  4. Prüfung durch das Gericht
  5. Verfügungsentscheidung
  6. Vollziehung der einstweiligen Verfügung
 Aus: Schrader "Handbuch der amtsgerichtlichen Praxis", C.H. Beck, 1953

 

IV. Rechtsbehelfe                                                                                                                                                              

V. Rechtskraft

 

VI. Fälle und Lösungen

 

VII. Schaubild

 

VIII. Exkurs: Einstweiliger Rechtsschutz im Mietrecht

                                                                   
 

I. Einführung

(§§ ohne Gesetzesangabe sind solche der ZPO)

Der Arrest und die einstweilige Verfügung dienen dem vorläufigen Rechtsschutz.
Der Arrest findet gemäß § 916 I statt zur Sicherung der Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung oder wegen einer Forderung, die in eine Geldforderung übergehen kann. Die einstweilige Verfügung wird gemäß §§ 935 ff zur Sicherung anderer Ansprüche angeordnet.
Geregelt sind Arrest und einstweilige Verfügung in den §§ 916 - 945, also im 8. Buch der ZPO. Beim Arrestprozess und dem Verfahren der einstweiligen Verfügung handelt es sich jedoch nicht um Zwangsvollstreckungs-, sondern um Erkenntnisverfahren. Ihr Ziel ist nicht eine Vollstreckungshandlung, sondern ein Vollstreckungstitel. Erst dessen Vollziehung stellt eine, wenn auch nur vorläufige und sichernde, Zwangsvollstreckung dar.
Streitgegenstand im Arrestverfahren und dem Verfahren zum Erlass einer einstweiligen Verfügung ist nicht die Hauptsache, sondern, da der Gläubiger nur eine vorläufige Sicherung bzw. Regelung anstrebt, nur das Sicherungsbegehren. Dies ist "weniger" als die Hauptsache.
 Konsequenz daraus ist, dass der Streitwert gem. §§ 53 GKG, 3 durch Schätzung des Gerichts auf einen Bruchteil des Hauptsachestreitwerts festgesetzt wird.

 

II.Arrest

1. Begriff und Voraussetzungen des Arrests

Es sind zwei Arten des Arrests zu unterscheiden, nämlich der dingliche und der persönliche Arrest. Der dingliche Arrest gibt dem Gläubiger das Recht, zur Sicherung seiner Forderung in das Vermögen des Schuldners zu vollstrecken (§§ 929 ff.). Er darf zwar pfänden, wegen des bloßen Sicherungszwecks aber nicht verwerten. Der persönliche Arrest sichert die Forderung dadurch, dass er den Schuldner durch Verhaftung hindert, ihre künftige Vollstreckung dadurch zu vereiteln, dass er sich ins Ausland absetzt.
Der Arrest erfordert einen Arrestanspruch und einen Arrestgrund.
 

Arrestanspruch kann jede bestimmte Geldforderung sein (§ 916).

Gem. § 916 II können auch betagte Ansprüche, d.h. solche, die zwar entstanden sind, aber erst durch Zeitablauf oder Kündigung fällig werden, und auch bedingte Ansprüche durch Arrest gesichert werden.

Arrestgrund ist gem. § 917 die Gefährdung der Zwangsvollstreckung aus einem zukünftigen Urteil. Ein Arrestgrund für den persönlichen Arrest ist wegen der Schwere des mit ihm verbundenen Eingriffs in die persönliche Freiheit des Schuldners gem. § 918 nur gegeben, wenn eine Freiheitsbeschränkung zur Sicherung der Forderung erforderlich ist. Das ist nur dann der Fall, wenn der dingliche Arrest keinen Erfolg verspricht.

  • Der Schuldner verschleudert sein Vermögen.
  • Er veräußert oder belastet auf verdächtige Weise wichtige Vermögensgegenstände.
  • Er wechselt ständig den Aufenthalt und trifft Anstalten, ins Ausland zu ziehen.
  • Es besteht die Gefahr, dass sich die zahlungsunfähige Konzernspitze das Vermögen der Tochtergesellschaft einverleibt.

Kein Arrestgrund ist z.B. gegeben

  • lediglich aufgrund schlechter Vermögenslage;
  • bei einem Ansturm anderer Gläubiger.

Konkurrenz mit anderen Gläubigern führt ggf. in das Insolvenzverfahren. Der Arrest soll nicht dazu dienen, dem Gläubiger einen Vorteil vor anderen Gläubigern zu verschaffen.
Ein Beispiel für einen zur Anordnung des persönlichen Arrests ausreichenden Arrestgrundes ist der Fall, dass der Schuldner davon abgehalten werden soll, sich durch Flucht ins Ausland der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zwecks Offenbarung gem. § 807 zu entziehen (BLAH § 918 Rdn. 2).
In jedem Fall liegt kein Arrestgrund vor, wenn der Gläubiger etwa durch einen Eigentumsvorbehalt, durch Sicherungseigentum oder -abtretung oder gar durch einen Vollstreckungstitel bereits gesichert ist.



2. Zuständigkeit des Gerichts

Zuständig ist nach §§ 919, 802 das Gericht der Hauptsache (§ 943) und das Amtsgericht, in dessen Bezirk sich der Arrestgegenstand bzw. die zu arrestierende Person befindet.



3. Arrestgesuch

  • Bezeichnung des Arrestanspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder -wertes, § 920 I
  • Bezeichnung des Arrestgrundes. § 920 I
  • Angabe, ob ein dinglicher oder persönlicher Arrest beantragt wird
  • Glaubhaftmachung der Tatsachen zum Arrestanspruch und zum Arrestgrund. § 920 II
  • Form: schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Arrestgerichts, § 920 III
  • kein Anwaltszwang, §§ 78 III, 920 III

 

4. Prüfung durch das Gericht

a) Schlüssigkeitsprüfung auf der Grundlage des Tatsachenvortrags des Antragstellers

Um zu einer Entscheidung zu kommen, prüft das Gericht Zulässigkeit und Begründetheit des Antrags bezogen auf den:

  • Arrestanspruch
  • Arrestgrund

b) Prüfung der Glaubhaftmachung der im Antrag vorgebrachten Tatsachen, vgl. § 920 II

  • nicht erforderlich bei offenkundigen, gesetzlich vermuteten oder zugestandenen bzw. nicht bestrittenen Tatsachen (soweit infolge einer Anhörung die Möglichkeit zum Bestreiten bestand)
  • Ausnahme gemäß 921 S. 1 (wenn der Antragsteller wegen der dem Antragsgegner drohenden Nachteile Sicherheit leistet) 
  • verfassungskonforme Auslegung erforderlich.

 

5. Arrestentscheidung

Die Entscheidung des Gerichts ergeht:
durch Beschluss, wenn über das Arrestgesuch ohne mündl. Verhandlung entschieden wird, § 922 I S. 1.
- Zustellung des Beschlusses im Parteibetrieb:

  • bei stattgebender Entscheidung: Zustellung des Beschlusses an den Antragsteller, der diesen wiederum an den Antragsgegner zustellen lassen muss (mit Abschriften der Antragsschriften), § 922 II
  • bei ablehnender Entscheidung: Zustellung des Beschlusses nur an den Antragsteller, § 922 III

durch Urteil, wenn Gericht nach mündlicher Verhandlung entscheidet, § 922 I. Einlassungsfrist, § 274 III 1, wegen des Eilcharakters entbehrlich; nicht aber Ladungsfrist (kann auf Antrag indes abgekürzt werden).
- Zustellung des Urteils (§§ 310 ff) nach § 317 mit folgendem Inhalt:
 

a) Der Antrag auf Erlass eines Arrestbefehls wird abgelehnt.
Neben der Zurückweisung enthält diese Entscheidung im Tenor noch diese Elemente:

  • Die Kosten werden dem Antragsteller auferlegt (§ 91).
  • Erfolgt die Zurückweisung durch Urteil, wird dieses gem. § 708 Nr. 6 für vorläufig vollstreckbar erklärt.
  • Ergeht ein Beschluss, so ist dieser ohne weiteres gem. § 794 I Nr. 3 vollstreckbar.

Daneben enthält die Entscheidung eine knappe Darstellung der die Ablehnung tragenden Gründe.

b) Arrestbefehl wird erlassen.

Unabhängig davon, ob er in Beschluss- oder Urteilsform ergeht, setzt er sich so zusammen:

  • Die zu sichernde Forderung wird angegeben und eine Kostenpauschale, die die Kosten des Antragstellers im Hauptsacheverfahren decken soll, wird hinzugerechnet.
  • Es wird angegeben, ob dinglicher oder persönlicher Arrest erlassen wird. Ggf. wird beim dinglichen Arrest gem. § 910 I 1 eine Forderung des Arrestschuldners gepfändet. Beim persönlichen Arrest werden nähere Anordnungen zur Vollziehung gem. § 933 getroffen.
  • Gem. § 923 wird die Lösungssumme festgestellt, durch deren Hinterlegung der Schuldner die Vollziehung des Arrests abwenden kann (§ 934).
  • Es ergeht eine Kostenentscheidung gem. §§ 91, 92.
  • Ggf wird der Arrest gem. § 921 II 1 von einer Sicherheitsleistung des Antragstellers abhängig gemacht.
  • Der Streitwert wird gem. §§ 53 GKG, 3 festgesetzt.
  • Ob der Arrestbefehl einer Begründung bedarf, ist umstritten. Gem. § 922 I 2 ist er jedenfalls zu begründen, wenn die Vollziehung im Ausland erfolgen soll.
  • Ergeht der Arrestbefehl in Beschlussform, enthält er eine Begleitverfügung, die seine Übermittlung an den Gläubiger regelt, dem gem. § 922 I die Zustellung an den Schuldner im Parteibetrieb obliegt. Ergeht der Arrestbefehl in Urteilsform, wird er gem. § 317 beiden Parteien von Amts wegen zugestellt.
  • Eine Entscheidung zur Vollstreckbarkeit des Arrests ergeht nicht, da diese sich schon aus seiner Natur als Eilentscheidung ergibt und in den §§ 928 ff. geregelt ist.

 

6. Vollziehung des Arrests, §§ 928 ff

a) Beim dinglichen Arrest gelten die allg. Zwangsvollstreckungsvorschriften (§ 928): allerdings mit Besonderheiten, insbesondere:

  • Arrestbefehl ist als Vollstreckungstitel sofort vollstreckbar
  • Erteilung einer Vollstreckungsklausel ist i.d.R. nicht erforderlich, § 929 I
  • Vollziehungsfrist ist ein Monat, § 929 II
  • Vollziehung ist schon vor Zustellung des Arrestbefehls an den Schuldner zulässig, § 929 III

b) Beim persönlichen Arrest gilt § 933 i.V.m. §§ 901, 904 - 913 und dem Strafvollzugsgesetz

 

7. Klausurproblem

In Literatur und Rechtsprechung ist umstritten, ob das Vorliegen eines Arrestgrundes Voraussetzung der Zulässigkeit oder der Begründetheit des Arrestes ist. Das Problem ist deshalb von Bedeutung, weil grundsätzlich Zulässigkeit und Begründetheit vorliegen müssen, wobei selbst dann die Zulässigkeit zu prüfen ist, wenn der Antrag - z.B. mangels offensichtlichen Vorliegens eines Anspruchs, augenscheinlich unbegründet ist. Richtigerweise sollte der Arrestgrund Zulässigkeitsvoraussetzung sein, da ein Eilverfahren nur dann eröffnet ist, wenn dafür ein besonderer Grund gegeben ist. Zum Streitstand vgl. Lackmann, Zwangsvollstreckungsrecht, 4. Aufl. Rdn 658 mit weiteren Nachweisen.



III. Die einstweilige Verfügung

1. Begriff und Voraussetzungen

Das Gesetz unterscheidet zwei Arten einstweiliger Verfügungen, nämlich die Sicherungsverfügung gem. § 935, die zur Sicherung von Ansprüchen jeder Art, nur nicht von Zahlungsansprüchen dient, und die Regelungsverfügung, mit der gem. § 940 Regelungen bezüglich streitiger Rechtsverhältnisse getroffen werden. Darüber hinaus hat die Rechtsprechung für bestimmte Ausnahmefälle eine Verfügung auf vorläufige Erfüllung, die so genannte Leistungsverfügung, anerkannt.
Gem. § 936 sind die für den Arrest geltenden Bestimmungen auf die einstweilige Verfügung anzuwenden, soweit nichts anderes bestimmt ist. Auch für die einstweilige Verfügung ist daher ein Verfügungsanspruch und ein Verfügungsgrund erforderlich.

a) Sicherungsverfügung
Als Verfügungsanspruch kommen alle Ansprüche in Frage, deren Inhalt eine individuelle Leistung ist, bei der es sich nicht um eine Geldzahlung handelt. Beispielsweise sind hier Ansprüche auf Herausgabe, auf Lieferung von Sachen oder auf Vornahme einer Handlung zu nennen. Unterlassungsansprüche gehören zwar grundsätzlich ebenfalls in diese Kategorie, sie können jedoch naturgemäß nur durch die Anordnung ihrer vorläufigen Erfüllung gesichert werden und erfordern daher eine Leistungsverfügung (s.u.).
>> Verfügungsgrund ist gem. § 935 die durch eine Veränderung des gegenwärtigen Zustands hervorgerufene Gefahr, dass die Verwirklichung eines Rechts des Gläubigers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte,
Herausgabeansprüche können z.B. durch Veräußerung, Beschädigung oder übermäßigen Gebrauch (etwa bei Sicherungsübereignung) gefährdet sein. Ein weiteres Beispiel ist der Fall der Gefährdung der Ansprüche aus dem Vermieterpfandrecht durch die Ankündigung des Mieters, er werde ausziehen.
In einigen Fällen, nämlich bei der Eintragung einer Vormerkung (§ 885 I 2 BGB) bzw. eines Widerspruchs (§ 899 II 2 BGB) durch einstweilige Verfügung, wird das Vorliegen eines Verfügungsgrundes kraft Gesetzes unwiderleglich vermutet. In anderen Fällen gibt es eine widerlegliche Vermutung. Die wichtigsten Beispiele hierfür sind die Unterlassungsansprüche aus dem Wettbewerbsrecht (§ 25 UWG) und die Ansprüche auf Gegendarstellung aus dem jeweiligen Landespressegesetz.
Ein Verfügungsgrund ist allerdings, auch in Fällen des § 25 UWG, nicht gegeben, wenn der Gläubiger mit der Beantragung einer einstweiligen Verfügung zu lange wartet. Die in der Rechtsprechung hierfür genannten Zeiträume liegen zwischen einem (OLG München WRP 83,643) und sechs Monaten (OLG Hamburg MDR 76,1028).
>> Sicherungsmaßnahmen
Gem. § 938 liegt es im freien Ermessen des Gerichts festzulegen, welche Maßnahmen zur Sicherung des gegenwärtigen Zustands erforderlich sind. Der Gläubiger wird zwar in der Regel eine bestimmte Maßnahme beantragen, daran ist das Gericht aber nicht gebunden. § 308 I entfaltet hier nur insoweit Wirkung, als die angeordnete Maßnahme nicht über den Antrag des Gläubigers hinausgehen darf (BLAH § 938 Rdn. 3).
Das Gericht muss sich allerdings an das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache halten. Aus dem Sicherungscharakter der Eilmaßnahme ergibt sich, dass diese den Gläubiger grundsätzlich nicht befriedigen darf (Tempel Bd. II S.4). Durch die Rechtsprechung zur Leistungsverfügung ist dieser Grundsatz allerdings zunehmend aufgeweicht worden. (s.u.)

b) Regelungsverfügung
Auch für die Regelungsverfügung gilt § 938, d.h. es steht im Ermessen des Gerichts, welche Regelung es trifft. Wegen des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache kann diese Regelung allerdings nur für die Zeit bis zur endgültigen Entscheidung getroffen werden.

Beispiele: (Schellhammer ZPR Rdn. 1945)

  • Dem Vermieter wird geboten, angemessen zu heizen.
  • Dem Mieter wird geboten, die Reparatur der Mietsache zuzulassen.
  • Im Arbeitskampf wird ein Streik vorläufig untersagt.
  • Einem Gesellschafter einer oHG werden vorläufig Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht entzogen.

c) Leistungsverfügung

Unter diesem Begriff werden die Ausnahmen vom Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache zusammengefasst, die die Rechtsprechung unter strengen Voraussetzungen zugelassen und damit eine zumindest vorläufige Erfüllung des zu sichernden Anspruchs durch die einstweilige Verfügung ermöglicht hat. Es gibt hier im Wesentlichen drei Fallgruppen, nämlich

  • Ansprüche auf Zahlung von Unterhalt oder Schadensersatz in akuter Not
  • Herausgabeansprüche nach verbotener Eigenmacht
  • Unterlassungsansprüche

 

2. Zuständigkeit des Gerichts

  • zuständig ist nach §§ 937 I, 943, 802 grundsätzlich das Gericht der Hauptsache
  • in Eilfällen ist nach § 942 I auch das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk sich der Streitgegenstand befindet (ein „Eilfall' liegt nur vor, wenn bis zu einer Entscheidung des Hauptsachegerichts eine nachteilige Verzögerung eintreten würde): in dringenden Fällen entscheidet der Vorsitzende anstelle des Gerichts, § 944
  • alternative Zuständigkeit gemäß § 942 II bei Eintragung einer Vormerkung bzw. eines Widerspruchs in das Grundbuch/Schiffsregister/Schiffbauregister

 

3. Verfügungsgesuch

  • Angabe, welches Rechtsschutzziel der Antragsteller verfolgt (nicht erforderlich: Angabe der Verfügungsart)
  • Bezeichnung des Antragsgegners
  • Bezeichnung des Verfügungsanspruchs sowie des Verfügungsgrundes, §§ 935/940 i.V.m. §§ 936, 920 I
  • Glaubhaftmachung der Tatsachen zum Verfügungsanspruch und zum Verfügungsgrund, §§ 936, 920 II
  • Form: schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Verfügungsgerichts, §§ 936, 920 III
  • kein Anwaltszwang. §§ 78 III, 936, 920 III

 

4. Prüfung durch das Gericht

a) Schlüssigkeitsprüfung auf der Grundlage des Tatsachenvortrags des Antragstellers bezogen auf den

  • Verfügungsanspruch
  • Verfügungsgrund

b) Prüfung der Glaubhaftmachung der im Antrag vorgebrachten Tatsachen, vgl. §§ 936, 920 II

  • nicht erforderlich bei offenkundigen. gesetzlich vermuteten oder zugestandenen bzw. nicht bestrittenen Tatsachen (soweit infolge einer Anhörung die Möglichkeit zum Bestreiten bestand)
  • Ausnahme gemäß §§ 936, 921 II (wenn der Antragsteller wegen der dem Antragsgegner drohenden Nachteile Sicherheit leistet)
  • verfassungskonforme Auslegung erforderlich

 

5. Verfügungsentscheidung

Die Entscheidung des Gerichts ergeht - nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zwecks erforderlich sind, § 938 I: Anordnung einer Sicherheitsleistung nach §§ 936, 921 II 2 möglich -

 

durch Beschluss, wenn über das Arrestgesuch ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, § 937 II
>> Zustellung des Beschlusses nach §§ 936, 922 II, III

durch Urteil, aufgrund mündlicher Verhandlung, §§ 936, 937 II, 922 I
>> Zustellung des Urteils nach §§ 310 ff

 

Inhalt bei Erlass:

Wie bereits dargestellt, steht die zur treffende Sicherungsmaßnahme gem. § 938 im Ermessen des Gerichts, das sich bei dessen Ausübung allerdings im Rahmen des Antrags und des Sicherungszwecks halten muss. Dementsprechend groß ist die Vielfalt möglicher Regelungen und damit die Vielfalt möglicher Tenorierungen. In jedem Fall muss die angeordnete Sicherung, Regelung oder Leistung so genau formuliert sein, dass sie vollstreckt werden kann.
Bezüglich der Kostenentscheidung, einer möglichen Sicherheitsleistung gem. § 921 und der Begleitverfügung sowie des Fehlens einer Entscheidung zur Vollstreckbarkeit gilt das gleiche wie für den Arrestbefehl.
Anders als der Arrestbefehl enthält die einstweilige Verfügung aber keine Lösungssumme gem. § 923. Der Herausgabe- bzw. Unterlassungsgläubiger ist dadurch in der Regel nicht zu sichern. Eine Aufhebung der einstweiligen Verfügung gegen Sicherheitsleistung des Schuldners ist daher gem. § 939 nur unter besonderen Umständen zulässig. Eine Schädigung des Schuldners durch die Vollziehung der einstweiligen Verfügung ist dafür nicht ausreichend (BLAH § 939 Rdn. 1).
Im praktisch wichtigen Fall der Unterlassungsverfügung muss die Entscheidung die Androhung von Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft gem. § 890 II enthalten.
Erlässt das Amtsgericht der Zwangsbereitschaft gem. § 942 eine einstweilige Verfügung, bestimmt es von Amts wegen eine Frist, innerhalb derer der Gläubiger beim Gericht der Hauptsache die mündliche Verhandlung zu beantragen hat.


6. Vollziehung der einstweiligen Verfügung, §§ 936, 928 ff

  • die einstweilige Verfügung ist sofort vollstreckbar: Vollziehungsfrist gemäß §§ 936, 929 II: 1 Monat
  • Erteilung einer Vollstreckungsklausel ist i.d.R. nicht erforderlich, vgl. §§ 936, 929 I

 

IV. Rechtsbehelfe

(vgl. Thomas-Putzo, ZPO, 29. Aufl. § 922 Rdn. 6 u. 7)

1. bei einer Entscheidung über das Arrestgesuch/Verfügungsgesuch (ohne mündliche Verhandlung) durch Beschluss:

  • sofortige Beschwerde (§ 567) für den Antragsteller, wenn das Arrest-/Verfügungsgesuch zurückgewiesen wird oder soweit eine vorherige Sicherheitsleistung nach § 921 angeordnet wird
  • Widerspruch (§ 924 I) für den Antragsgegner, wenn der beantragte Arrest angeordnet wird
  • Widerspruch (§§ 936, 924 I) für den Antragsgegner, wenn eine einstweilige Verfügung ergeht (Ausnahme: § 942)

2. bei einer Entscheidung über das Arrestgesuch/Verfügungsgesuch (nach mündlicher Verhandlung) durch Urteil:

  • Berufung (§ 511); keine Revision möglich, § 545 II 1 (Grund: dies widerspräche denn Rechtsschutzcharakter des vorläufigen Rechtsschutzes infolge der geltend gemachten Eilbedürftigkeit)

3. Bei Befürchtung der Antragstellung vorbeugend Einreichung einer Schutzschrift (insbesondere in Wettbewerbssachen)

4. Antrag auf Aufhebung wegen Klagefristversäumung

Gem. § 926 I kann der Schuldner dem Gläubiger vom Gericht eine Frist zur Klageerhebung in der Hauptsache setzen lassen. Der entsprechende Antrag ist zulässig, solange die Hauptsache noch nicht rechtshängig ist und die Eilmaßnahme noch besteht.
Wegen Versäumung der dem Gläubiger gesetzten Klagefrist kann der Schuldner gem. § 926 II die Aufhebung des Arrests bzw. der einstweiligen Verfügung beantragen. Dieser Antrag ist zulässig, wenn der angegriffene Titel noch besteht und für den Schuldner noch eine Gefahr darstellt. Begründet ist der Aufhebungsantrag, wenn die Klagefristversäumung glaubhaft gemacht ist. Der Gläubiger kann die Klageerhebung allerdings bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung über den Aufhebungsantrag nachholen (§ 231 II).
Ist der Antrag zulässig und begründet, hebt das Gericht die Eilmaßnahme durch Endurteil rückwirkend auf (BLAH § 926 Rdn. 15). Dies hat zur Folge, dass der Gläubiger nicht nur die Kosten des Aufhebungsverfahrens, sondern des gesamten Eilverfahrens zu tragen hat. Das Aufhebungsurteil wird gem. §§ 708 Nr. 6, 711 für vorläufig vollstreckbar erklärt. Ist der Antrag unzulässig oder unbegründet, lautet der Tenor des Urteils auf seine Zurückweisung,

 

5. Aufhebung wegen veränderter Umstände

Nach § 927 I kann der Schuldner auch wegen veränderter Umstände die Aufhebung der Eilmaßnahme beantragen.
Zulässig ist der Antrag nach § 927 I, wie der nach § 926 II, solange der Arrest oder die einstweilige Verfügung besteht und für den Schuldner eine Gefahr darstellt. Zuständig ist gem. § 927 II das Gericht, das die Eilmaßnahme angeordnet hat, und wenn die Hauptsache bereits anhängig ist, das Gericht der Hauptsache. In den Fällen des § 942 ist immer das Gericht der Hauptsache zuständig.

Begründet ist der Antrag, wenn der Schuldner die nachträgliche Änderung relevanter Umstände glaubhaft gemacht hat. Neben den im Gesetz genannten Fällen des Wegfalls des Arrest bzw. Verfügungsgrundes und des Erbietens zur Sicherheitsleistung sind Beispiele: (Schellhammer ZPR Rdn. 1997)

  • Der Arrest- bzw. Verfügungsanspruch erlischt durch Erfüllung.
  • Der Anspruch wird im Hauptprozess rechtskräftig aberkannt.
  • Der Gläubiger hat die Vollziehungsfrist gem. § 929 II versäumt.

Wie nach § 926 II entscheidet das Gericht auch nach § 927 Il nach mündlicher Verhandlung durch Urteil. Dieses Urteil wirkt jedoch nicht zurück, weswegen die Kostenentscheidung nur die Kosten des Aufhebungsverfahrens betrifft. War die aufgehobenen Maßnahme allerdings von Anfang an unberechtigt, entscheidet das Gericht über die gesamten Kosten (BLAH § 927 Rdn. 10)

 

6. Schadensersatz

Für die Fälle, dass die Eilmaßnahme sich von Anfang an als unrechtmäßig erweist, gem. § 926 II wegen Klagefristversäumung aufgehoben wird oder der Gläubiger den Schuldner nicht rechtzeitig vor das Gericht der Hauptsache laden lässt ( § 942 III), begründet § 945 eine verschuldensunabhängige Schadensersatzhaftung. Zu ersetzen ist der Schaden, der durch die Vollziehung der sichernden Maßnahme entstanden ist, und der, der auf der Erbringung einer Sicherheitsleistung beruht.

 

V. Rechtskraft

(vgl. Thomas-Putzo, a.a.O. § 922 Rdn. 8 ff.)
Die so ergangene Entscheidung über das Sicherungsbegehren erwächst in materieller Rechtskraft. Von dem daraus resultierenden Verbot, den Arrest- bzw. Verfügungsantrag zu wiederholen, macht die Rechtsprechung zwei Ausnahmen: (Schellhammer ZPR Rdn. 1907)

  • Der Gläubiger darf einen abgelehnten Antrag mit neuen Tatsachen oder Beweisen erneut stellen.
  • Er darf den erfolgreichen Antrag wiederholen, wenn die Vollziehungsfrist von einem Monat gem. § 929 II verstrichen ist, denn dann verfällt der Titel der Aufhebung gem. § 927 (s.u.) und wird damit wertlos.

 

VI.  Fälle und Lösungen

Beispielsfall:
Alt hat beim Landgericht Bochum beantragt, im Wege der einstweiligen Verfügung für ihn auf dem Grundstück des Berger eine Vormerkung zur Sicherung seines Anspruchs auf Einräumung einer Bauhandwerker-Sicherungshypothek in Höhe von 22.998,88 € nebst einer Zins- und Kostenpauschale von 4.000 € an rangbereiter Stelle einzutragen. Zur Begründung seines Antrages hat Alt unter Vorlage des mit Berger geschlossenen Werkvertrages vorgetragen, dass er im Auftrage des Berger am Bauvorhaben des Berger auf dessen (näher bezeichnetem) Grundstück Stahl- und Schlosserarbeiten durchgeführt habe. Aufgrund der geleisteten Arbeiten stehe ihm gegen Berger nachweislich der in Fotokopie beigefügten Rechnungen vom 02.04. und 10.04.2003 ein Werklohn von insgesamt 39.998,88 € zu, auf den bisher lediglich 17.000 € bezahlt worden seien. Auch der noch ausstehende Betrag sei fällig und im Juni 2003 mehrfach zur Zahlung angemahnt worden. Die Richtigkeit seiner Angaben hat Alt durch eidesstattliche Versicherung bestätigt.

Das Landgericht Bochum hat folgenden Beschluss erlassen:

In Sachen

Alt ./. Berger

wird im Wege der einstweiligen Verfügung gemäß §§ 935, 937 wegen Dringlichkeit
ohne mündliche Verhandlung angeordnet:

1) Für den Antragsteller ist in Abt. III des Grundbuches von Bochum, Gemarkung Linden, Blatt 456 auf dem Grundstück des Antragsgegners eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs des Antragstellers auf Einräumung einer Bauhandwerker-Sicherungshypothek in Höhe von 22.998,88 € nebst einer Zins- und Kostenpauschale von 4.000 € an rangbereitester Stelle einzutragen.
2) Das Grundbuchamt wird um Eintragung der Vormerkung ersucht.
3) Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
4) Der Streitwert wird auf 10.500 € festgesetzt.

Gründe:

Unterschriften der Richter

 

Der Antragsgegner Berger legt gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch ein mit der Begründung, die Eintragung der Vormerkung sei nicht geboten, da er - Berger – den Restbetrag, dessen Höhe vom Antragsteller richtig angegeben sei, alsbald nach Auszahlung eines ihm bereits zugesagten Darlehens zahlen werde; die Auszahlung des Darlehens sei aber davon abhängig, dass sein Darlehensgeber, die C-Bank, eine Grundschuld in der Rangposition erhalte, die jetzt durch die Vormerkung blockiert werde.
Der Antragsgegner Berger, vertreten durch seinen Anwalt, beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses vom . . . den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Der Antragsteller Alt, vertreten durch seinen Anwalt, beantragt,

die einstweilige Verfügung vom ... zu bestätigen.
 

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VII. Schaubild

 

VIII. Exkurs: Einstweiliger Rechtsschutz im Mietrecht

 

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