Zivilprozess- und Zwangsvollstreckungsrecht für Rechtsreferendare

1. Erfordernis der Klausel
2. Voraussetzungen der „einfachen" Klausel
3. Die qualifizierte Klausel
4. Die Teilklausel
5. Kurzübersicht
6. Beispielsfälle

 

 

 

 


 
 

1. Erfordernis der Klausel

Die Zwangsvollstreckung darf nur beginnen, wenn die Voraussetzungen vorliegen.

Zu den allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen gehört die am Schluss auf den Titel gesetzte Klausel, deren Wortlaut in § 725 ZPO näher bestimmt ist:

„Vorstehende Ausfertigung wird dem usw. (Bezeichnung der Partei) zum Zwecke der Zwangsvollstreckung erteilt"

Sie ist mit dem Gerichtssiegel zu versehen.

Nur in bestimmten gesetzlich geregelten Ausnahmefällen ist die Erteilung einer Vollstreckungsklausel entbehrlich, z.B. bei:

  • Vollstreckungsbescheiden unter den Voraussetzungen des § 796 I
  • Arrest und einstweiliger Verfügung gemäß §§ 929 I, 936 ZPO
  • Kostenfestsetzungsbeschluss, der auf das Urteil gesetzt ist (§§ 105 I 795a ZPO)
  • Pfändungsbeschluss als Grundlage der Wegnahme eines Hypothekenbriefes (§ 830 I 1, 2 ZPO)
  • Überweisungsbeschluss als Grundlage für die Vollstreckung auf Herausgabe von Urkunden (§ 836 III 3 ZPO)
  • Haftbefehlen nach § 901 ZPO

Das Vollstreckungsorgan ist an die Klauselerteilung gebunden: Wird die Klausel wirksam erteilt (gleich zu Recht oder zu Unrecht), darf es die maßgeblichen Umstände also nicht überprüfen. Vielmehr muss der Schuldner gegen eine unberechtigte Klauselerteilung mit dem gegebenen  Klauselrechtsbehelf vorgehen.

Zu unterscheiden ist zwischen der Erteilung einer einfachen und einer qualifizierten Klausel:

2. Voraussetzungen der „einfachen" Klausel

Die so genannte einfache Klausel wird grundsätzlich nur erteilt, wenn der Titel und die Vollstreckung aus ihm nicht bedingt sind und keine Umschreibung auf eine im Titel nicht benannte Person erforderlich ist. Eine einfache Klausel wird darüber hinaus in den Fällen erteilt, in denen dem Vollstreckungsorgan die Prüfung der einzelnen Bedingungen als Voraussetzung für eine Vollstreckung selbst obliegt.

  • Antrag des nach dem Titel Berechtigten
  • Zuständigkeit zur Erteilung
    - Urkundsbeamter der Geschäftsstelle, § 724 II ZPO, bei vom Gericht geschaffenen Titeln;
    - Notar, § 797 II ZPO, bei notariellen Urkunden

b) "Materielle" (allgemeine) Voraussetzungen

  • Formell wirksam scheinender Titel (Probleme: Vollstreckungsberechtigung bei familiengerichtlichen Titeln; Unwirksamkeit des Titels aus formellen Gründen; fehlende Unterschriften; Anwaltszwang)
  • Vollstreckungsreife (Urteile müssen rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt sein)
  • Vollstreckbarer Inhalt des Titels
  • Es muss sich um einen Leistungstitel handeln.
  • Inhaltliche Bestimmtheit des Titeltenors selbst; auch hinsichtlich der Gegenleistung bei Zug um Zug-Titeln.

c) Eine "einfache" Klausel wird aber auch dann erteilt:

  • wenn die Vollstreckung von der Leistung einer Sicherheit durch den Gläubiger abhängt, § 726 I ZPO (Bsp.: „Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von ... € vorläufig vollstreckbar.");
    ob die Leistung erbracht ist, hat das Vollstreckungsorgan vor Beginn der Vollstreckung zu prüfen, § 751 II ZPO;
  • wenn die Vollstreckung von einer Zug-um-Zug zu bewirkenden Gegenleistung des Gläubigers an den Schuldner abhängt (die nicht die Abgabe einer Willenserklärung betrifft, § 726 II i.V. m. I ZPO), § 726 II ZPO (Bsp.: „Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ... € zu zahlen Zug-um-Zug gegen die Übergabe des PKW ...")
    ob die Gegenleistung (ordnungsgemäß) erbracht ist, prüft das Vollstreckungsorgan nach §§ 756, 765 ZPO;
  • wenn die Vollstreckung vom Eintritt eines Kalendertages abhängig ist, § 751 I ZPO (Bsp.: „Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger monatlich ... € zu zahlen, zahlbar am ersten Tag des Kalendermonats, erstmalig am ...")
    die Prüfung des Eintritts des Tages obliegt dem Vollstreckungsorgan.


3. Die qualifizierte Klausel

 

a) Eine so genannte qualifizierte Klausel wird unter den folgenden Voraussetzungen erteilt:

  • als titelergänzende Klausel, wenn der Titel, aus dem vollstreckt werden soll, bedingt oder befristet ist und der Eintritt dieses ungewissen Ereignisses gemäß § 726 ZPO vom Gläubiger nach allgemeinen Beweislastregeln zu beweisen ist (daran fehlt es z.B. bei Verfallklauseln), s. dazu unten Beispielsfall 1.
  • als titelumschreibende Klausel, wenn der Titel auf einen Rechtsnachfolger umgeschrieben werden soll (§§ 727 - 729 ZPO)

Die Überprüfung, ob die Bedingung oder die Rechtsnachfolge eingetreten ist, obliegt in diesem Fall nicht den Vollstreckungsorganen, sondern wird im Klauselerteilungsverfahren (einem formalisierten Verfahren) im Rahmen der Erteilung der Vollstreckungsklausel vom zuständigen Klauselorgan überprüft.

b) Funktionell zuständig ist

  • der Rechtspfleger, §§ 3 Nr. 3 a, 20 Nr. 12 RPflG, wenn der Titel vom Gericht geschaffen wurde (Problem: Ist die Klausel nichtig, wenn der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle an Stelle des Rechtspflegers gehandelt hat?);
  • der Notar bei notariellen Urkunden.

c) Der Nachweis muss durch öffentliche (§§ 415, 417 f ZPO) oder öffentlich beglaubigte Urkunden geführt werden.

Ausnahmen:

  • Die Tatsachen sind offenkundig (§ 291 ZPO);
  • der Schuldner hat sie bei einer Anhörung zugestanden i.S. d. § 288 ZPO;
  • der Schuldner hat in einer notariellen Unterwerfungserklärung eine sofortige Erteilung der Klausel bewilligt und auf den Nachweis verzichtet.

 

4. Die Teilklausel

 

Eine so genannte Teilklausel wird (vor allem bei Prozessvergleichen) erteilt, wenn der Titel den Schuldner zu mehreren verschiedenartigen Leistungen verpflichtet, die z. T. von Bedingungen abhängig sind und zum Teil nicht („Vorstehende Ausfertigung des Vergleichs wird dem Kläger zur Vollstreckung aus Ziff. 1 des Vergleichs erteilt.")

 

5. Kurzübersicht

 

  Einfache Klausel,
§§ 724, 725 ZPO
Titelergänzende Klausel, § 726 ZPO   Titelumschreibende Klausel, §§ 727 ff ZPO
 1. Antrag des Vollstreckungsgläubigers formlos möglich formlos möglich       formlos möglich
2. Zuständig für
  Klauselerteilung

sachlich/örtlich:Gericht des ersten Rechtszuges, § 724 II ZPO;

funktionell: Urkundsbeamter der Geschäftsstelle, § 724 II ZPO;

Notar bei notariellen Urkunden und notariell verwahrten Anwaltsvergleichen, § 797 II, VI ZPO 

 

sachlich/örtlich:  

Gericht des ersten Rechtszuges, § 724 II ZPO;

funktionell: Rechtspfleger, §§ 3 Nr. 3 a, 20 Nr. 12 RPflG;

Notar bei notariellen Urkunden und notariell verwahrten Anwaltsvergleichen, § 797 II, VI ZPO

          
 
 

sachlich/örtlich:  

Gericht des ersten Rechtszuges, § 724 II ZPO;

funktionell: Rechtspfleger, §§ 3 Nr. 3 a, 20 Nr. 12 RPflG;

Notar bei notariellen Urkunden und notariell verwahrten Anwaltsvergleichen, § 797 II, VI ZPO

3. Allgemeine
  Verfahrens-voraussetzungen

Partei- /Prozessfähigkeit etc.

kein Anwaltszwang, § 78 III ZPO,

keine Anhörung des Schuldners (arg. e. § 730 ZPO)

 

Partei- /Prozessfähigkeit etc.

 kein Anwaltszwang, § 78 III ZPO,

keine Anhörung des Schuldners (arg. e. § 730 ZPO)

 

Partei- /Prozessfähigkeit etc.

kein Anwaltszwang, § 78 III ZPO,

keine Anhörung des Schuldners (arg. e. § 730 ZPO)

 

4. Vorliegen eines
vollstreckungsfähigen
Titels  

Wirksamkeit und Vollstreckbarkeit des Titels,

vollstreckungsfähiger Inhalt

Wirksamkeit und Vollstreckbarkeit des Titels,

vollstreckungsfähiger Inhalt

Wirksamkeit und Vollstreckbarkeit des Titels,

vollstreckungsfähiger Inhalt

5. Besondere
Voraussetzungen

Ø   das Vorliegen folgender Voraussetzungen:

- kalendermäßige Bestimmung, §§ 726 I, 751 I ZPO

- Sicherheitsleistung, §§ 726 I, 751 II

- Zug-um-Zug-Leistung, §§ 726 II, 756, 765 ZPO wird erst nach Klauselerteilung im Rahmen der Zwangsvollstreckung vom jeweiligen Vollstreckungsorgan geprüft

Ø    Voraussetzungen i.S.d. § 726 I ZPO:

- Abs. 1: Vorliegen der vom Gläubiger zu beweisenden Tatsache

- Abs. 2: Vorliegen der Willenserklärung.

Ø       Beweis durch öff. (beglaubigte) Urkunden,

Ausnahmen:

- wenn Umstand vom Schuldner zugestanden wurde,

- bei Offenkundigkeit,

- bei erfolgreicher Klauselerteilungsklage (§ 731 ZPO) oder

- bei entsprechender Pateivereinbarung       

 

Ø  Titelumschreibung auf Dritte, §§ 727 ff ZPO:

- bei Rechtsnachfolge i.S.d. § 727

- bei Vor- /Nacherbschaft nach §§ 728 I, 326 ZPO,

- bei Testamentsvollstreckung, §§ 728 II, 327 ZPO,

- bei Vermögensübernahme i.S.d. § 729 I ZPO,

- Fortführung eines Handelsgeschäfts,  § 729 II ZPO.

Ø   Beweis durch öff. (beglaubigte) Urkunden,Ausnahmen:

- wenn Umstand vom Schuldner zugestanden wurde,

- bei Offenkundigkeit,

- bei erfolgreicher Klauselerteilungsklage (§ 731 ZPO) oder

- bei entsprechender Pateivereinbarung   

6. Parteiidentität erforderlich erforderlich nur hinsichtlich der ursprünglichen Parteien

 

6. Beispielsfälle


I. zur einfachen und titelergänzenden Klauselerteilung


Fall 1: Wiederauflebungsklausel und Verfallklausel

G hatte den S auf Zahlung von EUR 15.000 verklagt. Im Prozess schlossen die Parteien einen Vergleich. Der S erkannte an, einen Betrag von EUR 10.000 zu schulden. Hiervon erließ ihm der G weitere EUR 3.000. Der S verpflichtete sich, die restlichen EUR 7.000 in monatlichen Raten von EUR 1.000, beginnend ab 1. März, zu zahlen. Wenn er eine Rate nicht binnen einer Woche nach Fälligkeit zahlte, sollte die erlassene Schuld von EUR 3.000 wieder aufleben und die gesamte Restschuld sofort fällig sein.
G will sich schon jetzt für den Fall der Säumigkeit des S eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs, und zwar in Höhe von EUR 10.000 verschaffen. Kann er sie erhalten?


Hinsichtlich der erlassenen EUR 3.000 enthält der Vergleich eine so genannte Wiederauflebungsklausel: Das Wiederentstehen der durch den Erlass erloschenen Forderung ist vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängig gemacht, nämlich der Säumnis des S bei der Ratenzahlung. Für den Eintritt dieser aufschiebenden Bedingung hat G die Beweislast. Es liegt demnach ein Fall des § 726 Abs. 1 ZPO vor. Da zurzeit die Bedingung noch nicht eingetreten ist, kann der Rechtspfleger die begehrte Klausel nicht erteilen.
Hinsichtlich der Forderung in Höhe von EUR 7.000 haben die Parteien Ratenzahlung vereinbart. Es handelt sich einmal um eine kalendermäßige Befristung, zum anderen um eine so genannte Verfallklausel. Kalendermäßige Fristen fallen nicht unter § 726 Abs. 1 ZPO. Der Fristablauf ist nicht im Klauselerteilungsverfahren zu prüfen, sondern später bei der Vollstreckung vom Vollstreckungsorgan (§ 751 Abs. 1 ZPO). Der Sinn einer Verfallklausel besteht darin, dem Schuldner die Befugnis zu gewähren, durch termingerechte Zahlung der vereinbarten Raten die Vollstreckung der geschuldeten Gesamtsumme abzuwenden (§ 364 Abs. 1 BGB). Deshalb hat der Schuldner, wenn er die Inanspruchnahme auf die Gesamtsumme verhindern will, die Beweislast der rechtzeitigen Erfüllung der Ratenzahlung, nicht etwa muss der Gläubiger einen Schuldnerverzug bei der Ratenzahlung beweisen. Es liegt daher bei einer solchen Verfallklausel kein Fall des § 726 Abs. 1 ZPO vor (RGZ 134, 156, 160; BGH Betrieb 1964, 1850). Zur Zwangsvollstreckung in Höhe von EUR 7.000 kann daher dem G die Vollstreckungsklausel zu dem Vergleich bereits jetzt erteilt werden. Es handelt sich um eine einfache Vollstreckungsklausel. Deshalb ist der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Prozessgerichts, bei dem der Vergleich abgeschlossen wurde, für die Erteilung der Vollstreckungsklausel zuständig (§ 724 Abs. 2 ZPO).


Fall 2: Abbruch nach Abbruchgenehmigung

S hatte sich dem G gegenüber verpflichtet, ein auf dem Grundstück des S stehendes Gebäude abzubrechen, sobald die baurechtlich erforderliche Abbruchgenehmigung erteilt werde. G verklagte den S auf diese künftige Leistung (möglich unter den Voraussetzungen des § 259 ZPO; vgl. BGH NJW 1978, 1262 f.). S wurde verurteilt, das Gebäude abzubrechen, sobald die Abbruchgenehmigung erteilt sei.
Unter welchen Voraussetzungen kann G eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils erhalten?

 

Die Erteilung der Klausel richtet sich hier nach § 726 Abs. 1 ZPO. Denn der titulierte Anspruch (Abbruchpflicht) ist aufschiebend bedingt durch die Erteilung der Abbruchgenehmigung, und für den Eintritt dieser aufschiebenden Bedingung trägt der Gläubiger die Beweislast.
Wenn die Genehmigung unstreitig erteilt ist, kann der Rechtspfleger die vollstreckbare Ausfertigung erteilen, und zwar ohne weiteren Nachweis.
Anderenfalls muss S den Antrag auf Abbruchgenehmigung selber stellen. G kann in einem neuen Prozess den S auf Stellung des Antrags verklagen. Ein obsiegendes Urteil kann er nach § 888 ZPO vollstrecken. Wenn daraufhin S den Antrag stellt und die Genehmigung erteilt wird, kann sich G die Urkunde über § 792 ZPO verschaffen. Schließlich kann der Rechtspfleger die vollstreckbare Ausfertigung erteilen, wenn feststeht, dass die Genehmigungsbedürftigkeit fortgefallen ist (BGH NJW 1978, 1262 f.).


Fall 3: Klausel bei Vorleistungspflicht und Annahmeverzug

A und B schlossen einen Prozessvergleich, wonach sich A verpflichtete, gewisse Mängelbeseitigungsarbeiten durchzuführen. Unter Nr. 6 des Vergleichs heißt es alsdann: “B verpflichtet sich, die Forderung des A in Höhe von EUR 10.000 innerhalb einer Woche nach Abnahme der Instandsetzungsarbeiten zu bezahlen. B verpflichtet sich, innerhalb von 14 Tagen nach schriftlicher Fertigstellungsmitteilung der Instandsetzungsarbeiten die Arbeiten abzunehmen.”
A beantragt die Erteilung einer Vollstreckungsklausel.


Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle wird die Klausel als “einfache Klausel” gemäß §§ 724, 725, 726 Abs. 2 ZPO erteilen, wenn die Vollstreckung von einer Zug um Zug zu bewirkenden Leistung des Gläubigers an den Schuldner abhängt. Im vorliegenden Fall haben die Parteien im Vergleich nicht den Weg gewählt, dass B Zug um Zug gegen Beseitigung der angegebenen Mängel Zahlung leisten sollte. Sie haben vielmehr eine echte Vorleistungspflicht des A festgelegt. Die Überlegungen, ob dennoch eine “einfache Klausel” gemäß §§ 724, 725, 726 Abs. 2 ZPO erteilt werden kann, gestalten sich ein wenig komplizierter.
Es könnten § 322 Abs. 3 BGB i.V.m. § 322 Abs. 2 und § 274 Abs. 2 BGB zur Anwendbarkeit des § 726 Abs. 2 ZPO führen.
Nach § 322 Abs. 1 BGB führt die Einrede des nichterfüllten Vertrages (§ 320 BGB) dazu, dass der Beklagte zur Erfüllung Zug um Zug zu verurteilen ist. Nach § 322 Abs. 2 BGB kann der Vorleistungspflichtige, wenn der Vorleistungsberechtigte im Annahmeverzug ist, selbst auf Leistung nach Empfang der Gegenleistung klagen. Nach § 322 Abs. 3 BGB findet auf die Zwangsvollstreckung die Vorschrift des § 274 Abs. 2 BGB Anwendung. Nach § 274 Abs. 2 BGB kann der Gläubiger, der wegen eines Zurückbehaltungsrechts des Schuldners nur ein Urteil auf Erfüllung Zug um Zug erhält, seinen Anspruch auch ohne Bewirkung der ihm obliegenden Leistung im Wege der Zwangsvollstreckung verfolgen, wenn der Schuldner im Verzug der Annahme ist.
§ 274 Abs. 2 BGB findet somit auch dann Anwendung, wenn der klagende und vollstreckende Teil vorzuleisten verpflichtet ist. Voraussetzung ist allerdings, dass der andere Teil sich im Verzuge der Annahme befindet. Fraglich ist, wie zu verfahren ist, wenn der Annahmeverzug noch nicht feststeht. Bei einer Zug-um-Zug-Verurteilung erspart § 726 Abs. 2 ZPO dem Gläubiger den Nachweis des Annahmeverzuges des Schuldners. Lässt sich diese Regelung auf den Fall der Vorleistungspflicht anwenden, in dem der Annahmeverzug des Schuldners mit Blick auf die Vorleistung den Weg zur (Verurteilung und) Vollstreckung der Nachleistung eröffnet? Nach einer Ansicht ist die Vollstreckungsklausel gemäß § 726 Abs. 2 ZPO zu erteilen, ohne dass der Gläubiger weitere Beweise liefern müsste (BL/Hartmann, § 726 Rdnr. 9). Die Beweisführung ist nach dieser Ansicht ebenso wie bei der Vollstreckung eines Zug-um-Zug-Titels dem Zwangsvollstreckungsverfahren vorbehalten. Nach dieser Ansicht müsste im vorliegenden Fall der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die beantragte Klausel erteilen. Nach der Gegenmeinung kommt § 726 Abs. 2 ZPO nur dann zur Anwendung, wenn der Schuldner zur Zeit seiner Verurteilung im Annahmeverzug war und dies, wie für die Anwendung des § 322 Abs. 2 BGB erforderlich, im Urteil festgestellt ist (Stein-Jonas-Münzberg, § 726 Rdnr. 16). Für diese Ansicht sprechen die besseren Gründe. Die Klauselerteilung zugunsten des Vorleistungspflichtigen ohne Nachweis der Erbringung der Vorleistung oder des Annahmeverzuges des Schuldners ist nur gerechtfertigt, wenn der Annahmeverzug in einem Urteil festgestellt ist. Prozessvergleiche und vollstreckbare Urkunden enthalten anders als Urteile auf Leistung nach Empfang der Gegenleistung regelmäßig keine Feststellung darüber, dass sich der Schuldner bereits im Annahmeverzug befindet. §§ 322 Abs. 2, 274 Abs. 2 BGB, 756, 765 ZPO finden daher hier keine Anwendung. Für die Klauselerteilung gilt § 726 Abs. 1 ZPO. Der Rechtspfleger muss wegen Fehlens des Nachweises des Annahmeverzuges die Erteilung der Vollstreckungsklausel ablehnen.



II. zur titelübertragenden Klauselerteilung


Fall 1: Umschreibung eines für den Zedenten erlassenen Titels auf den Zessionar

G trat während des Prozesses die gegen S eingeklagte Forderung an D ab und stellte seinen Klageantrag auf Zahlung an D um. Entsprechend wurde S verurteilt, den eingeklagten Betrag an D zu zahlen. Wie erhält D die Vollstreckungsklausel?

Parteien des Prozesses blieben nach § 265 ZPO G und S. Die Rechtskraft des ergangenen Urteils wirkt nach § 325 Abs. 1 ZPO auch zu Gunsten des Rechtsnachfolgers D. Sieht man D bereits wegen seiner Nennung im Titel als den Vollstreckungsgläubiger an, so liegt kein Fall des § 727 ZPO vor, sondern die Klausel wird dem D nach §§ 724, 725 ZPO erteilt (so z.B. Kion, NJW 1984, 1601). Die Rechtsprechung und ein Teil des Schrifttums sehen jedoch bei einem Urteil, das zu Gunsten eines Dritten als Rechtsnachfolger des Klägers ergangen ist, den Kläger als Vollstreckungsgläubiger an. Der Kläger kann die vollstreckbare Ausfertigung über § 724 ZPO erhalten und damit auf Leistung an den Dritten vollstrecken. Will der Dritte selbst vollstrecken, so muss er sich die Klausel nach § 727 ZPO erteilen lassen (BGH NJW 1984, 806; Gerhardt, JR 1984, 288; Merle, JA 1983, 626; vgl. zu diesem Komplex auch Fall 2 der Fallsammlung von Baur/Stürner, in dem es darum geht, ob der Kläger überhaupt die Vollstreckungsklausel für sich verlangen kann).


Fall 2: Umschreibung gegen den Erben des Schuldners

G hat ein Urteil gegen S. S stirbt.

Eine Titelumschreibung gegen den oder die Erben erfolgt nach § 727 ZPO. Den zum Nachweis der Erbfolge erforderlichen Erbschein kann sich G über § 792 ZPO beschaffen. Hatte die Zwangsvollstreckung gegen den Erblasser S zu dessen Lebzeiten bereits begonnen, bedarf es zu ihrer Fortführung in den Nachlass keiner Titelumschreibung (§ 779 Abs. 1 ZPO). Gegen die Erben des Schuldners kann wegen § 1958 BGB (keine Haftung vor Annahme der Erbschaft) die Klausel erst erteilt werden, wenn die Annahme der Erbschaft oder der Ablauf der Ausschlagungsfrist (§ 1944 BGB) nachgewiesen wird. Für die Vollstreckung in den ungeteilten Nachlass muss die Klausel gegen alle Miterben umgeschrieben werden (§ 747 ZPO).


Fall 3: Umschreibung gegen den Einzelrechtsnachfolger in die streitbefangene Sache

G hat gegen S ein Urteil auf Herausgabe eines Motorrads (§ 985 BGB) erstritten. Während des Prozesses hat S das Motorrad an D veräußert. G verlangt die Umschreibung des Titels gegen D. Der vom Rechtspfleger gem. § 730 ZPO gehörte D erklärt, dass er beim Erwerb des Motorrades den S für den Eigentümer gehalten und dass er auch von dem Prozess nichts gewusst habe.

Die Voraussetzungen des § 325 Abs. 1 Halbs. 1 ZPO sind gegeben. Denn D ist nach Eintritt der Rechtshängigkeit Einzelrechtsnachfolger hinsichtlich der streitbefangenen Sache geworden. G wird daher die Titelumschreibung gemäß § 727 ZPO erhalten. Der Einwand, dass wegen der doppelten Gutgläubigkeit des D eine Rechtskrafterstreckung nicht vorliege (§ 325 Abs. 2 ZPO), kann nicht im Klauselerteilungsverfahren, sondern nur mit der Klauselerinnerung (§ 732 ZPO) oder mit einer Klage gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel (§ 768 ZPO) geltend gemacht werden.
Anders verhält es sich, wenn nicht der Rechtspfleger die Klausel erteilt, sondern der Gläubiger Klauselerteilungsklage nach § 731 ZPO erhebt. In diesem Verfahren findet eine umfassende Prüfung der Voraussetzungen für und Einwendungen gegen die Klauselerteilung statt.


Fall 4: Umschreibungsmöglichkeit bei befreiender Schuldübernahme

G hat gegen S ein Urteil auf Zahlung von EUR 10.000 erstritten. G und D vereinbaren eine befreiende Schuldübernahme des D gem. § 414 BGB. Als D nicht zahlt, will G den gegen S gerichteten Titel gegen D umschreiben lassen.

Die Rechtskrafterstreckung nach § 325 ZPO schließt sich an die Regelung des § 265 ZPO an, wonach die Veräußerung oder Abtretung der im Streit befangenen Sache auf die Parteirollen im Prozess keinen Einfluss hat. Deshalb hängt die Frage, ob eine nach Rechtshängigkeit erfolgte privative Schuldübernahme den Schuldübernehmer zum Rechtsnachfolger des Beklagten i.S. des § 325 ZPO macht - und damit auch die Möglichkeit einer Titelumschreibung nach § 727 ZPO eröffnet -, davon ab, ob es sich insoweit um eine Rechtsnachfolge i. S. d. § 727 handelt. Zwar spricht § 325 ZPO auch von „Rechtsnachfolge“. Diese “Rechtsnachfolge” in § 265 ZPO und § 325 ZPO wird rechtstechnisch allerdings nur als Übergang der Berechtigung aufgefasst. Die Übernahme einer Verpflichtung ist danach keine Rechtsnachfolge. G kann den Titel nicht umschreiben lassen. Er muss erneut, diesmal gegen D klagen.


Fall 5: Titelumschreibung gegen den Insolvenzverwalter

 

G hat gegen den Bauunternehmer S wegen unrechtmäßigen Besitzes eines dem G gehörenden Baggers ein Urteil erlangt, das sowohl auf Herausgabe des Baggers als auch auf Zahlung von EUR 2.000 Schadensersatz wegen Beschädigung des Baggers geht. S fällt in Konkurs. Insolvenzverwalter ist K. G will aus dem Urteil vollstrecken.

Sieht man den Insolvenzverwalter als Rechtspflegeorgan an, das als Partei kraft Amtes im eigenen Namen mit Wirkung für und gegen die Insolvenzmasse handelt, so hat das vollstreckungsrechtlich die Konsequenz, dass der Insolvenzverwalter bei Zwangsvollstreckungen für und gegen ihn im Titel oder in der Klausel namentlich bezeichnet werden muss (§ 750 Abs. 1 ZPO). Bei einem Urteil, das gegen den Gemeinschuldner ergangen ist, muss daher die Vollstreckungsklausel entsprechend § 727 ZPO gegen den Insolvenzverwalter umgeschrieben werden, wenn aus diesem Urteil in die Insolvenzmasse vollstreckt werden soll und die Zwangsvollstreckung gegen den Insolvenzverwalter begonnen werden soll.
Eine Umschreibung ist jedoch nur möglich, soweit während des Insolvenzverfahrens eine Einzelzwangsvollstreckung zulässig ist. Das ist nur der Fall, soweit der Titel einen Aussonderungsanspruch (§§ 47 ff. InsO), einen Absonderungsanspruch (§§ 50 ff. InsO) oder eine Masseschuld (§§ 53, 55 InsO) betrifft. Für die einfachen Insolvenzgläubiger verbietet § 89 InsO während der Dauer des Insolvenzverfahrens die Einzelzwangsvollstreckung sowohl in die Insolvenzmasse als auch in das sonstige Vermögen des Gemeinschuldners.
Im vorliegenden Fall enthält der Titel des G, soweit er auf Herausgabe des dem G gehörenden Baggers geht, einen Aussonderungsanspruch (§ 47 InsO). Der titulierte Schadensersatzanspruch ist hingegen nur eine gewöhnliche Insolvenzforderung. Die Titelumschreibung entsprechend § 727 ZPO ist daher nur bezüglich des Herausgabeanspruchs möglich, was in der Klausel zum Ausdruck kommen muss.
Bezüglich der Schadensersatzforderung muss G, wenn er aus der Masse die entsprechende Quote haben will, seine Forderung gem. §§ 174 ff. InsO zur Eintragung in die Insolvenztabelle anmelden.


Fall 6: Firmenfortführung und Vollstreckung aus einem Titel gegen die “Firma”

G hat wegen Warenlieferung ein rechtskräftiges Urteil auf Zahlung von EUR 5.000 gegen das “Elektrohaus Walter Kramer” erwirkt. Inhaber des Elektrogeschäftes war der Kaufmann Karl Schulz. Dieser Name ist im Urteil nicht erwähnt. Nach Rechtskraft des Urteils hat der Kaufmann Uwe Müller das Handelsgeschäft erworben und mit der alteingeführten Firmenbezeichnung “Elektrohaus Walter Kramer” fortgeführt. G will nunmehr aufgrund des rechtskräftigen Titels sowohl gegen Karl Schulz als auch in das Vermögen der Firma “Elektrohaus Walter Kramer” vollstrecken.

Für die Vollstreckung gegen Karl Schulz liegt ein rechtskräftiger Titel vor. Beklagter in dem Prozess war Karl Schulz, der unter seinem handelrechtlichen Namen “Elektrohaus Walter Kramer” verklagt werden konnte (§ 17 Abs. 2 HGB). Bei der Zwangsvollstreckung gegen einen unter dem Firmennamen verklagten Kaufmann muss allerdings wegen § 750 ZPO die Identität des verklagten Firmeninhabers als Vollstreckungsschuldner feststehen. In der Vollstreckungsklausel ist deshalb entsprechend § 727 Abs. 2 ZPO der bürgerliche Name des beklagten Firmeninhabers vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle aufzunehmen.
Für die Vollstreckung in das Vermögen der Firma “Elektrohaus Walter Kramer”, das jetzt dem Uwe Müller gehört, reicht ein Titel mit nur auf die Firma lautender Vollstreckungsklausel nicht aus. Denn der Vollstreckungsschuldner aus dem Titel ist der seinerzeitige Firmeninhaber Karl Schulz. Eine vollstreckbare Ausfertigung gegen den nunmehrigen Firmeninhaber Uwe Müller kann nicht nach § 727 ZPO erteilt werden. Die nach § 25 HGB begründete Haftung für die Geschäftsverbindlichkeiten ist keine Rechtsnachfolge i.S. der §§ 325, 327 ZPO. Eine vollstreckbare Ausfertigung gegen Uwe Müller kann G aber unter den Voraussetzungen des § 729 Abs. 2 ZPO erhalten. Diese Vorschrift erspart für bereits rechtskräftig festgestellte Verbindlichkeiten einen neuen Prozess gegen die Vermögens- oder Firmenübernehmer, die ja materiellrechtlich neben dem bisherigen Schuldner für diese Verbindlichkeiten als Gesamtschuldner haften. Wegen des Fortbestandes der Haftung des alten Schuldners, gegen den der rechtskräftige Titel vorliegt, kann in diesen Fällen sowohl eine vollstreckbare Ausfertigung gegen den alten Schuldner (nach § 724 ZPO) als auch eine gegen den Vermögens- bzw. Firmenübernehmer (nach § 729 ZPO) erteilt werden. In der gemäß § 729 ZPO erteilten Vollstreckungsklausel muss dabei die Gesamtschuldhaftung vermerkt werden (Stein-Jonas/Münzberg, § 729 Rdnr. 3). Bei Gesamtschuldnern wird nur eine Ausfertigung erteilt.

 

 

 

 

Powered By Website Baker