Zivilprozess- und Zwangsvollstreckungsrecht für Rechtsreferendare

 

 


Kurzübersicht Forderungsvollstreckung

(§§ ohne Gesetzesangabe sind solche der ZPO)

 

1. Besonderheiten der Prozesshandlungsvoraussetzungen

 

a) Vollstreckungsantrag

 

Erforderlich ist die genaue Angabe von:

  • Gläubiger, Schuldner, Drittschuldner
  • Schuldgegenstand und Schuldgrund der zu pfändenden Forderung.

 

 b) Zuständigkeit

Funktionell: Vollstreckungsgericht, § 828 I (Amtsgericht, § 764 I); es entscheidet der Rechtspfleger, § 20 Nr. 17 RPflG.
Örtlich: Allgemeiner Gerichtsstand des Schuldners, hilfsweise Ort des Vermögens des Schuldners, § 828 II.

c) Rechtsschutzbedürfnis:

Zweifelhaft bei:

  • Pfändung von Forderungen des Schuldners gegen den Gläubiger (Aufrechnung!);möglich ist die Pfändung jedenfalls, wenn die Aufrechnung vertraglich oder gesetzlich ausgeschlossen ist.
  • Pfändung von dem Gläubiger bereits abgetretenen Forderungen des Schuldners (Gläubiger hat durch die Abtretung bereits mehr erlangt als durch die Pfändung und Überweisung!). Nach h. M. besteht ein Rechtsschutzbedürfnis, da bei der Pfändung der Nachweis besser geführt werden kann als bei einer formlosen Abtretung und weil in Beweisurkunden vollstreckt werden kann, § 836 III 2 (i.V.m. § 883).
  •  

2. Besonderheiten der Pfändung von Forderungen

 a) Gegenstand der Vollstreckung

  • Geldforderungen; auch einredebehaftete, betagte oder befristete, § 829.
  • Herausgabe- oder Lieferansprüche, §§ 846ff
    • Andere Vermögensrechte, § 857
    • Vermögens-, = geldwerte Rechte,  keine Persönlichkeitsrechte,
    • Rechte, keine bloßen Chancen
  • Die Forderung unterliegt weder der Immobiliar- (§ 865) noch der Gerichtsvollziehervollstreckung (z. B. § 831).

b) Pfändung künftiger Forderungen

  • Zulässig, wenn die Rechtsbeziehung Schuldner - Drittschuldner bereits besteht, aus der sich - genügend bestimmbare - Forderungsrechte ergeben können.

c) Pfändungsbeschränkungen

  • § 851 (evtl. in Verbindung mit § 857 I, III)
    • gesetzlich unübertragbar = unpfändbar (z. B. § 399 BGB 1. Alt.).
    • Vertraglich unübertragbar = pfändbar, wenn Gegenstand der Pfändung unterliegt, § 851 II (§ 399 BGB 2. Alt.).
    • Zweckgebundene Ansprüche sind nach § 851 I nur im Rahmen der Zweckbindung übertragbar und damit pfändbar (vgl. z.B.  BGH NJW 2000, 1270 OLG Saarbrücken WM 2006, 2212).
  • Unpfändbarkeit aus sozialen Gründen.
    •   Unpfändbarkeit: § 850 a
    •   Bedingte Pfändbarkeit: § 850 b
    •   Beschränkte Pfändbarkeit: §§ 850c bis 850i
    •   Sondervorschriften in Sozialgesetzen, z. B. § 54 SGB-AT

d) Erweiterungen

· § 850 a

e) Umfang der Pfändung

· § 803

3. Pfändungsvorgang

a) rechtliches Gehör

  • kein rechtliches Gehör für Schuldner, § 834 (Ausnahme: § 850 b)

b) Umfang der Prüfung durch den Rechtspfleger:

  • · Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung
  • · "Schlüssigkeit":
    • Nach dem Vorbringen des Gläubigers besteht eine Forderung des Schuldners gegen den Dritten, die nicht unpfändbar ist.
    • Der Schuldner kann nicht einwenden, die Forderung bestehe nicht, da nur "Schlüssigkeitsprüfung"!

c) Zustellung des Pfändungs- (und meist Überweisungs-)beschlusses an:

  • Drittschuldner (Wirksamkeitsvoraussetzung!), §§ 829 III, 835 III 1
  • Schuldner (keine Wirksamkeitsvoraussetzung)

Die Zustellung erfolgt im Parteibetrieb, also durch den Gerichtsvollzieher.

4. Folgen der Pfändung

Verstrickung der gepfändeten Forderung und relatives Veräußerungsverbot nach §§ 135, 136 BGB

Arrestatorium = Drittschuldner darf nicht mehr an Schuldner leisten

Inhibitorium = Verbot an den Schuldner, über die Forderung zu verfügen

· Rechtsstellung der Beteiligten:

>> Gläubigerstellung

--> im Verhältnis zum Schuldner:

Schuldner bleibt Inhaber der Forderung; Gläubiger erhält Befugnis, sie im eigenen Namen bis zur Höhe seiner Forderung einzuziehen;
Mahnung, Kündigung möglich, nicht Erlass, Stundung;
Schadensersatzpflicht, wenn er die Einziehung verzögert, § 842;
Streitverkündungspflicht, § 841.

--> im Verhältnis zum Drittschuldner

Befugnis zur Einklagung im eigenen Namen; klagte bereits der Schuldner, muss dieser nach § 265 weiter klagen, aber Antrag umstellen ; liegt bereits ein Titel vor: Umschreibung nach § 727 (nach evtl. Herausgabevollstreckung gem. § 836 III i.V.m. § 883). Für eine Einziehungsklage einer gepfändeten titulierten Forderung fehlt es jedenfalls am Rechtsschutzbedürfnis.
Gläubiger kann mit der Forderung des Schuldners gegen Forderungen des Drittschuldners gegen ihn, den Gläubiger, aufrechnen.

>> Schuldnerstellung

Schuldner ist Forderungsinhaber geblieben. Er kann alles tun, was nicht im Widerspruch zur Gläubigerstellung steht. Er kann gegen DS auf Zahlung an Gläubiger klagen. Er ist verpflichtet, dem Gläubiger Auskunft bzgl. der Forderung zu erteilen, § 836 Abs. 3. Dies kann klageweise geltend gemacht werden. Urkunden muss er herausgeben; Titel dafür ist der PfÜB (evtl. Wegnahmevollstreckung, § 883). Darf nicht mehr über die Forderung verfügen (Inhibitorium).

>> Drittschuldnerstellung

Auskunftspflicht nach § 840; nicht erzwingbar, aber u.U. Schadensersatzpflicht; Anerkennung kein abstraktes oder deklaratorisches  Anerkenntnis, sondern nur Wissenserklärung mit Umkehr der Beweislast.
Mit Wirksamwerden des Pfändungsbeschlusses besteht das Verbot, an den Schuldner zu leisten (Arrestatorium, § 829 Abs. 1 Satz 1). Eine Leistung an den Schuldner ist dem Gläubiger gegenüber unwirksam, §§ 135, 136 BGB.
Der Drittschuldner kann die gepfändete Forderung durch Aufrechnung tilgen, wenn die Aufrechnungslage bereits vor der Pfändung bestand, § 392 BGB, denn seine Rechtsstellung soll durch die Pfändung nicht verschlechtert werden

 

§ 392 BGB Aufrechnung gegen beschlagnahmte Forderung

Durch die Beschlagnahme einer Forderung wird die Aufrechnung einer dem Schuldner (Drittschuldner) gegen den Gläubiger (Schuldner) zustehenden Forderung nur dann ausgeschlossen, wenn der Schuldner ( Drittschuldner ) seine Forderung nach der Beschlagnahme erworben hat oder wenn seine Forderung erst nach der Beschlagnahme und später als die in Beschlag genommene Forderung fällig geworden ist. Kannte der Drittschuldner die Pfändung nicht, so wird er durch eine Leistung an den Schuldner entspr. §§ 1275, 407 BGB frei.
Nach § 836 Abs. 2 gilt der Überweisungsbeschluss, auch wenn er zu Unrecht erlassen worden ist, zugunsten des Drittschuldners dem Schuldner gegenüber solange als rechtsbeständig, bis er aufgehoben wird und die Aufhebung zur Kenntnis des Drittschuldners gelangt. Zahlt also der Drittschuldner nach Aufhebung des PfÜB, aber vor Kenntniserlangung davon an den Gläubiger, so wird er nach § 836 Abs. 2 frei (= Parallele zu § 409 BGB). Zu beachten ist allerdings, dass § 836 Abs. 2 kein Vertrauen darauf begründet, dass der Gläubiger auch einziehungsbefugt ist. Ist die Pfändung - etwa wegen einer vorherigen Abtretung - ins Leere gegangen, schützt nicht § 836 Abs. 2 den Drittschuldner, der an den Schuldner leistet, sondern allenfalls §§ 408 Abs. 2, 407 BGB. § 836 schützt also bei einer Aufhebung des PfÜB den Drittschuldner nur im Verhältnis zum Schuldner. Eine BGH-Entscheidung zu diesem Thema: BGH NJW 1980, 584.

 

5. Verwertung der Forderung

Die Verwertung der Forderung geschieht durch Überweisung an den Gläubiger, § 835,

  • zur Einziehung (Zwangsvollstreckung wird erst beendet, wenn Gläubiger vom Drittschuldner Zahlung erlangt hat);
  • an Zahlungs Statt (wirkt wie Abtretung und führt dazu, dass Gläubiger sofort als befriedigt gilt, sofern die gepfändete Forderung besteht);
  • gem. § 844 zur anderweitigen Verwertung.

6. Rechtsbehelfe

a) Wenn der Gerichtsvollzieher es ablehnt, einen Pfändungsbeschluss zuzustellen, kann der Gläubiger Erinnerung nach
§ 766 Abs. 2 einlegen.

b) Erlässt der Rechtspfleger den Pfändungsbeschluss, steht dem Schuldner die Erinnerung (§ 766) zu, mit der er Verfahrensmängel rügen kann; sofern er ausnahmsweise angehört worden ist, hat er die Möglichkeit der sofortigen Beschwerde (§ 793). Diese Rechtsbehelfe stehen auch dem Drittschuldner zu, der Mängel der Pfändung geltend machen will. Dieser ist nach herrschender Meinung uneingeschränkt erinnerungsbefugt. Er wird von einer Forderungspfändung schon deshalb in eigenen Rechten betroffen, weil er mit zusätzlichen Pflichten belastet wird. Der Eingriff in seine Rechtsstellung setzt deshalb ein rechtmäßiges Handeln voraus.

c) Der Gläubiger kann sofortige Beschwerde einlegen (§ 11 Abs. 1 Rechtspflegergesetz i. V. m. § 793), wenn sein Antrag auf Erlass eines Pfändungsbeschlusses abgelehnt oder der Pfändungsbeschluss wieder aufgehoben wird.

 

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§ 392 BGB Aufrechnung gegen beschlagnahmte Forderung

Durch die Beschlagnahme einer Forderung wird die Aufrechnung einer dem Schuldner (Drittschuldner) gegen den Gläubiger (Schuldner) zustehenden Forderung nur dann ausgeschlossen, wenn der Schuldner (Drittschuldner) seine Forderung nach der Beschlagnahme erworben hat oder wenn seine Forderung erst nach der Beschlagnahme und später als die in Beschlag genommene Forderung fällig geworden ist.

§ 404 BGB Einwendungen des Schuldners (Drittschuldners) gegenüber Neugläubiger (Vollstreckungsgläubiger)

Der Schuldner (Drittschuldners) kann dem neuen Gläubiger (Vollstreckungsgläubiger) die Einwendungen entgegensetzen, die zur Zeit der Abtretung (Pfändung) der Forderung gegen den bisherigen Gläubiger (Schuldner) begründet waren.

§ 406 BGB Aufrechnungsmöglichkeit, Schutz des Schuldners (Drittschuldners)

Der Schuldner (Drittschuldner) kann eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger (Schuldner) zustehende Forderung auch dem neuen Gläubiger (Vollstreckungsgläubiger) gegenüber aufrechnen, es sei denn, dass er bei dem Erwerb der Forderung von der Abtretung (Pfändung) Kenntnis hatte oder dass die Forderung erst nach der Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist.

§ 407 BGB Rechtshandlungen gegenüber Altgläubiger (Schuldner) , Schutz des Schuldners (Drittschuldners)

(1) Der neue Gläubiger (Vollstreckungsgläubiger) muss eine Leistung, die der Schuldner (Drittschuldner) nach der Abtretung (Pfändung) an den bisherigen Gläubiger (Schuldner) bewirkt, sowie jedes Rechtsgeschäft, das nach der Abtretung (Pfändung) zwischen dem Schuldner (Drittschuldner) und dem bisherigen Gläubiger (Schuldner) in Ansehung der Forderung vorgenommen wird, gegen sich gelten lassen, es sei denn, dass der Schuldner (Drittschuldner) die Abtretung bei der Leistung oder der Vornahme des Rechtsgeschäfts kennt.

(2) Ist in einem nach der Abtretung (Pfändung) zwischen dem Schuldner (Drittschuldner) und dem bisherigen Gläubiger (Schuldner) anhängig gewordenen Rechtsstreit ein rechtskräftiges Urteil über die Forderung ergangen, so muss der neue Gläubiger (Vollstreckungsgläubiger) das Urteil gegen sich gelten lasse, es sei denn, dass der Schuldner (Drittschuldner) die Abtretung bei dem Eintritt der Rechtshängigkeit (Pfändung) gekannt hat.

§ 408 BGB Mehrmalige Abtretung, Schutz des Schuldners ( Drittschuldners )

(1) Wird eine abgetretene Forderung von dem bisherigen Gläubiger ( Schuldner ) nochmals an einen Dritten (Vollstreckungsgläubiger) abgetreten (gepfändet), so finden, wenn der Schuldner (Drittschuldner) an den Dritten leistet oder wenn zwischen dem Schuldner (Drittschuldner) und dem Dritten (Vollstreckungsgläubiger) ein Rechtsgeschäft vorgenommen oder ein Rechtsstreit anhängig wird, zugunsten des Schuldners (Drittschuldners) die Vorschriften des § 407 dem früheren Erwerber gegenüber entsprechende Anwendung.

(2) Das gleiche gilt, wenn die bereits abgetretene Forderung durch gerichtlichen Beschluss einem Dritten (Vollstreckungsgläubiger) überwiesen wird oder wenn der bisherige Gläubiger dem Dritten gegenüber anerkennt, dass die bereits abgetretene Forderung kraft Gesetzes auf den Dritten übergegangen sei.

§ 409 BGB Abtretungsanzeige oder Vorlage einer Abtretungsurkunde, Wirkung

(1) Zeigt der Gläubiger (Schuldner) dem Schuldner (Drittschuldner) an, dass er die Forderung abgetreten habe (gepfändet worden ist), so muss er dem Schuldner (Drittschuldner) gegenüber die angezeigte Abtretung (Pfändung) gegen sich gelten lassen, auch wenn sie nicht erfolgt oder nicht wirksam ist. Der Anzeige steht es gleich, wenn der Gläubiger (Schuldner) eine Urkunde über die Abtretung (Pfändung) dem in der Urkunde bezeichneten neuen Gläubiger (Vollstreckungsgläubiger) ausgestellt hat und dieser sie dem Schuldner (Drittschuldner) vorlegt.

(2) Die Anzeige kann nur mit Zustimmung desjenigen zurückgenommen werden, welcher als der neue Gläubiger bezeichnet worden ist.

 

 

 

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