Zivilprozess- und Zwangsvollstreckungsrecht für Rechtsreferendare
 


 

Kurzübersicht

(§§ ohne Gesetzesangabe sind solche der ZPO)   

 

Quelle: Justiz-online

1. Besonderheiten der Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung   

   a) Zuständigkeit

  • Funktionell zuständig ist der Gerichtsvollzieher.
  • Örtliche Zuständigkeit: § 154 GVG, § 20 GVO.

   b) Antrag

  • Der Gerichtsvollzieher hat die Weisungen des Gläubigers zu beachten, soweit sie nicht gesetzeswidrig sind. 

2. Besondere Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung in bewegliche Sachen  

    a) Gegenstand:

  • Bewegliche Sachen, §§ 803, 865;
  • Einschränkung: Zubehör, § 865 II 1;
  • Erweiterung: Früchte auf dem Halm, § 810.

    b) Gewahrsam des Schuldners, § 808 oder eines zur Herausgabe bereiten Dritten, § 809.

  • Bei Ehegatten: § 739 (h. M.: Im Vollstreckungsverfahren unwiderlegbar).

    c) Kein evidentes Dritteigentum 

   d) Keine Unpfändbarkeit, §§ 811, 812 (besonders wichtig: § 811 Nr. 5);  Verzicht des Schuldners vor (allgemeine Ansicht) und bei oder nach der   Pfändung (h. M.) ist unzulässig.



3. Durchführung der Pfändung 

    a) Aufforderung zur freiwilligen Leistung, § 754. Bei freiwilliger Leistung: Quittierung, § 757

    b) Zwangsvollstreckung zur Nachtzeit (§ 188) sowie an Sonn- und Feiertagen nur mit richterlicher Erlaubnis, § 758 a

   c) Pfändungsakt  

  • Durchsuchung (§ 758) der "Wohnung" des Schuldners gegen dessen Willen nur mit richterlichem Beschluss, (§ 758 a)
  • Zwangsbefugnisse, §§ 758f; streitig: "Verfolgungsrecht".
  • Inbesitznahme der Sachen, § 808. Wegnahme von Geld pp., § 808 II 1; andere Sachen bleiben grundsätzlich beim Schuldner, § 808 II 1.
  • Pfändung ist durch Pfandsiegel oder -anzeige kenntlich zu machen. Verstoß führt zur Unwirksamkeit (= Nichtigkeit), § 808 II 2.
  • Benachrichtigung des Schuldners, § 808 III
  • Protokoll, § 762
  • Anschlusspfändung durch Aufnahme ihrer Erklärung ins Protokoll, § 826 I. Voraussetzungen: Wirksame (= nicht nichtige) Erstpfändung. 

   d) Umfang der Pfändung  

  • Keine Überpfändung, § 803 I 2 Ausnahme: Nur ein pfändbarer Gegenstand.
  • Keine zwecklose Pfändung, § 803 II

 

Das Pfändungspfandrecht

 

 

Kurzübersicht

 

öffentlich-rechtliche Theorie

 

gemischt-privatrechtlich-öffentlich-rechtliche Theorie

 

Charakter

Pfändungspfandrecht ist nicht eine Art bürgerlich-rechtliches Pfandrecht, sondern wurzele allein im öffentlichen Recht.

Pfändungspfandrecht hat privatrechtlichen Charakter

 

Entstehungs-voraussetzungen

• wirksame, nicht nichtige Pfändung (Verstrickung)

• wirksame, nicht nichtige Pfändung (Verstrickung)

• Vorliegen der wesentlichen Vollstreckungsvoraussetzungen

(z.B. Titel, Klausel, Zustellung, besondere Vollstreckungs-voraussetzungen, keine Vollstreckungshindernisse, keine Verletzung wesentlicher Verfahrenvorschriften)

• gepfändete Sache muss im Eigentum des Schuldners stehen

• Bestehen der zu sichernden Forderung (Titel reicht)

 

Verwertung

Pfändungspfandrecht ist das prozessuale Recht zum Betreiben der Verwertung und zum Empfang des Erlöses

Grundlage und Wirksamkeitsbedingung der Versteigerung ist nicht das Pfändungspfandrecht, sondern die öffentlich-rechtliche Verstrickung

 

Befriedigungsrecht

kein Recht, materiellrechtlich den Erlös auch behalten zu dürfen

Pfändungspfandrecht beinhaltet das Recht auf Behalten des Erlöses

 

Einzelfälle

 

 

Pfändung und Versteigerung einer schuldnerfremden Sache

Ersteigerer erwirbt - unabhängig von Gut- oder Bösgläubigkeit -
Eigentum

• Grundlage der Verwertung ist Pfändungspfandrecht; dieses entsteht unabhängig vom Eigentum durch die Verstrickung

Erlös steht materiell-rechtlich dem Eigentümer der Sache zu

• Weder Verstrickung noch Pfändungspfandrecht, sondern materiell-rechtliche Berechtigung an der Sache ist maßgeblich

Ersteigerer erwirbt - unabhängig von Gut- oder Bösgläubigkeit – Eigentum

• Grundlage für die Verwertung ist Verstrickung; Ersteher erwirbt Eigentum kraft Hoheitsakt

Erlös steht materiell-rechtlich dem Eigentümer der Sache zu

• Mangels Pfändungspfandrecht steht dem Gläubiger kein materielles Recht am Erlös zu

 

Rangfolge


Der Gerichtsvollzieher pfändet am 01.05.2007
im Auftrag des Gläubigers A eine Stereoanlage, bevor der Titel zugestellt wurde. Am 02.05.2007 erfolgt eine Anschlusspfändung für den Gläubiger B.

 

 

Da die Pfändung für den Gläubiger A nicht nichtig, sondern nur anfechtbar war, ist eine Verstrickung entstanden.

 

• Für A ist damit bereits am 01.05.2007 ein Pfändungspfandrecht entstanden

 

 

Da die Pfändung für den Gläubiger A nicht nichtig, sondern nur anfechtbar war, ist eine Verstrickung entstanden.

 

 • Für A ist wegen Fehlens einer wesentlichen Vollstreckungsvoraussetzung zunächst kein Pfändungspfandrecht entstanden

• Allerdings ist der Fehler mit Wirkung ex nunc geheilt worden, so dass mit Zustellung (Heilung) das Pfändungspfandrecht am 03.05.2007 entstanden ist.

 

4. Die Wirkung der Pfändung

Eine wirksame Pfändung einer dem Schuldner gehörenden Sache führt zu deren Verstrickung (unter Verstrickung versteht man die staatliche Beschlagnahme einer Sache im Wege der Zwangsvollstreckung) und lässt zugunsten des Gläubigers ein Pfändungspfandrecht (§ 804 Abs. 1) entstehen. 
Umstritten ist allerdings, wann das Pfändungspfandrechrt entsteht. Gleichwohl kommen alle vertretenen Meinung regelmäßig zum gleichen End-Ergebnis, so dass in Klausuren eine Entscheidung für die eine oder andere Theorie überflüssig ist.

 

Verstrickung

a. Entstehen der Verstrickung 

  • jede wirksame, also nicht nichtige Pfändung
  • Nichtigkeit ist bei offenkundigen, schweren Mängeln gegeben:
  • es fehlt an einem Titel
  • Verstoß gegen funktionale Zuständigkeit durch das Vollstreckungsorgan
  • kein hinreichende Kenntlichmachung der Pfändung (bei Mobiliarpfändung durch den GVZ)
  • Anschlusspfändung ohne wirksame Erstpfändung 

b. Beendigung der Verstrickung  

  • Aufhebung der Pfändung durch Vollstreckungsorgan
  • Abschluss der Verwertung
  • gutgläubiger lastenfreier Erwerb der gepfändeten Sache nach § 135 II, 936 BGB 

c. Wirkung der Verstrickung  

  • staatliche Beschlagnahme
  • öffentlich-rechtliches Gewaltverhältnis
  • staatliches Veräußerungsverbot im Sinne von § 135, 936 BGB; Verfügungen durch den Schuldner sind relativ unwirksam 

 

Zusammenfassung

 

                 

 

 

Nach der gemischten Theorie ist also die Verstrickung Grundlage für die Verwertung. Durch den Zuschlag erwirbt der Ersteigerer kraft Hoheitsaktes Eigentum, obwohl kein Pfändungspfandrecht entstanden ist; bei einer schuldnerfremden Sache sogar unabhängig von seiner Gut- oder Bösgläubigkeit.

Nach der öffentlich-rechtlichen Theorie ist  Grundlage der Verwertung das Bestehen eines Pfändungspfandrechts, das aber unabhängig vom Eigentum  allein schon durch die Verstrickung entsteht.

Zu unterschiedlichen Ergebnissen können die Theorien dann ï»¿gelangen , wenn es z. B. auf den Zeitpunkt der Entstehung des Pfändungpfandrechts ankommt (s. dazu näher Lackmann, Rdn 176). 

 

5. Die Verwertung gepfändeter Sachen

Im Anschluss an die Pfändung erfolgt regelmäßig die Verwertung der gepfändeten Sachen gemäß §§ 814 ff. Sie wird vom Gerichtsvollzieher ohne erneuten Antrag des Gläubigers durchgeführt. Sie ist allerdings unzulässig, wenn lediglich eine Sicherungsvollstreckung (§ 720a) oder eine Arrestvollziehung (§§ 930 ff) betrieben wird.

Verwertung gepfändeten Geldes   

  • gepfändetes Geld ist gemäß § 815 I dem Gläubiger abzuliefern,
  • eine Hinterlegung erfolgt in den Fällen des § 815 II (Einwendung eines die Veräußerung hindernden Rechts durch einen Dritten) und des § 820 (bei Abwendungsbefugnis im Rahmen einer vorläufigen Vollstreckung).

Versteigerung gepfändeter Sachen

  • Gepfändete Sachen sind durch den Gerichtsvollzieher öffentlich zu versteigern. § 814.
    Die Versteigerung ist ein staatlicher Hoheitsakt, den der Gerichtsvollzieher durchführt, der die erste Pfändung vorgenommen hat. Dieser bestimmt den Termin (§ 816 I) und Ort (§ 816 II) der Versteigerung, die öffentlich bekannt zu machen ist (§ 816 III). Im Versteigerungstermin werden die Pfandstücke unter Angabe des gewöhnlichen Verkaufswerts und eines Mindestgebots (§ 817a) angeboten. Dem Meistbietenden wird der Zuschlag erteilt und nach Barzahlung (§ 817 II) die Sache abgeliefert. Der Erlös ist nach Abzug der Kosten dem Gläubiger bis in Höhe seiner vollstreckbaren Forderung abzuliefern; einen eventuellen Überschuss erhält der Schuldner.
  • Durch die Ablieferung der Sache wird nach h.M. das Eigentum an den versteigerten Sachen durch einen „privatrechtsgestaltenden Hoheitsakt" des Gerichtsvollziehers auf den Ersteigerer übertragen, wenn:

     a) die gepfändete Sache noch verstrickt ist (beachte die Pfandrechtstheorien) und

     b) die wesentlichen Verfahrensvorschriften eingehalten wurden

Verwertung von Wertpapieren, Gold- und Silbersache

  • Wertpapiere werden durch den Gerichtsvollzieher als bewegliche Sachen gepfändet
  • Orderpapiere (z.B. Wechsel) werden durch den Gerichtsvollzieher in Besitz genommen (§ 831): die Verwertung erfolgt durch das Vollstreckungsgericht nach §§ 835 ff
  • Andere Wertpapiere sind, wenn sie einen Börsen oder Marktpreis haben, vom Gerichtsvollzieher freihändig zu verkaufen, anderenfalls zu versteigern, § 821.
  • Gold- und Silbersachen können nach § 817a III 2 freihändig verkauft werden, wenn bei der Versteigerung das Mindestgebot (§ 817a I, III 1) nicht erreicht wird 

Anderweitige Verwertung, § 825  

  • andere Verwertung auf Antrag des Gläubigers nach § 825 I
  • Anordnung des Vollstreckungsgerichts, dass die Verwertung durch andere Personen als den Gerichtsvollzieher vorgenommen werden soll, § 825 II
    --> beachte: Versteigerung verliert ihren hoheitlichen Charakter, so dass sich der Eigentumserwerb nunmehr nach dem Zivilrecht richtet (§§ 929 ff BGB)  

 

Verteilungsverfahren, §§ 872ff. 

 

 

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