Zivilprozess- und Zwangsvollstreckungsrecht für Rechtsreferendare


 

I.  Die Feststellungklage nach § 256 Abs. 1 ZPO                                              §§§

 

 

Tenor

Hauptsache:

- "Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger 2/3 des materiellen Schadens aus dem Unfall vom 24. Februar 2004 zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht kraft Gesetzes auf Sozialversicherungsträger übergegangen ist" (positive Feststellungsklage).

- "Die Klage wird abgewiesen."

- "Es wird festgestellt, dass der Beklagte von dem Kläger nicht verlangen darf, er solle 10.000,00 € als Darlehen zurückzahlen" (beachte: Diese sog. negative Feststellungsklage ist in voller Höhe schon dann abzuweisen, wenn sie sich gegen einen unbezifferten Anspruch richtet und wenn der Anspruch auch nur in irgendeiner Höhe besteht. Richtet sich die negative Feststellungsklage gegen einen bezifferten Anspruch und besteht der Anspruch zum Teil, weist das Gericht die Klage nicht ganz, sondern nur anteilig ab).

Kosten: Keine Besonderheiten

Vorläufige Vollstreckbarkeit:

Vorläufig vollstreckbar ist nur die Kostenentscheidung.

Gleichwohl sollten Sie nicht tenorieren: "Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung von 10.000,00 € vorläufig vollstreckbar.". Denn der Zusatz "... wegen der Kosten ..." kann - nicht bei der Feststellungsklage, aber etwa bei § 767 ZPO - falsch sein.

Entscheidungsgründe

Zulässigkeit:

Die Klage ist gerichtet auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines (gegenwärtigen) Rechtsverhältnisses (sowie auf die Feststellung der Tatsache der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde)

Rechtsverhältnis i.S.d. § 256 ZPO ist die aus einem vorgetragenen Sachverhalt abgeleitete rechtliche Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder zu einem Gegenstand, also etwa:

- Vertragliches Schuldverhältnis,

- rechtliche Einordnung einer unstreitigen Beziehung als Dienst-, Werk- oder Gesellschaftsvertrag,

- Ansprüche oder Leistungspflichten jeglicher Art, wobei sich die Feststellungsklage bei Zukunftsschäden, die der Kläger noch nicht beziffern kann, anbietet (vgl. dazu  BGH VersR 1989, 1055 f.)

- Deckungspflicht des Haftpflichtversicherers,

- Annahmeverzug des Gläubigers der Gegenleistung, wichtig für die Vollstreckung eines Zug-um-Zug-Urteils nach § 756 ZPO, aber  nicht isoliert, nur in Verbindung mit  Leistungsklage (vgl.  BGH  NJW 2000, 2663 f.)

- dingliche Rechte wie Eigentum und Besitz.

Es muss sich um ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis handeln (vgl. z.B.  BGH VersR 2006, 535).

Unzulässig ist also die Klage auf Feststellung, man sei Erbe eines Erblassers, der noch lebt und weder durch Erbvertrag noch durch gemeinschaftliches Testament schon zu Lebzeiten gebunden ist.

Der Kläger muss ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung des Rechtsverhältnisses haben.

Das Gericht muss anders als bei Leistungsklagen, wo es regelmäßig von dem Vorliegen des Rechtsschutzinteresses ausgehen kann, besonders prüfen, ob das Feststellungsinteresse vorliegt. Allerdings gilt der prozessuale Vorrang der Zulässigkeit hier nicht in gewohnter Strenge. Das Gericht darf das Vorliegen des Feststellungsinteresses dahinstehen lassen, wenn die Klage erkennbar unbegründet ist. Will es der Klage stattgeben, muss das Feststellungsinteresse vorliegen. 

Faustregel: Das Bestreiten eines Rechts (durch den zukünftigen Beklagten) rechtfertigt die positive, die Anmaßung eines Rechts (durch den zukünftigen Beklagten) die negative Feststellungsklage.

Feststellungsklage und Leistungsklage: 

Faustregel: Fällige Ansprüche muss man grundsätzlich mit der Leistungsklage verfolgen, denn die Feststellung verschafft keinen Vollstreckungstitel und verdoppelt nur den Prozess. Daraus folgt zugleich die Ausnahme: Eine Feststellungsklage ist trotz der Möglichkeit einer Leistungsklage dann zulässig, wenn, wie bei öffentlich-rechtlichen Körperschaften oder Anstalten, zu erwarten ist, dass die Beklagte auch ohne Vollstreckungsdruck erfüllen werde. Darüber hinaus soll eine Feststellungsklage zulässig bleiben, wenn die Schadensentwicklung abgeschlossen ist und der Kläger den Schaden beziffern und Leistungsklage erheben könnte; der Kläger könne (vgl. § 264 Nummer 2 ZPO), müsse aber nicht zur Leistungsklage übergehen.

Ist bereits Leistungsklage erhoben, scheitert die Feststellungsklage über denselben Anspruch (nicht erst am Feststellungsinteresse, sondern schon) an der Rechtshängigkeit (§ 261 Absatz 3 Nummer 1 ZPO).

Ist Feststellungsklage erhoben und erhebt der Beklagte Leistungswiderklage, ist das Rechtsschutzinteresse für die Leistungswiderklage gegeben. Diese ist zulässig. Damit entfällt grundsätzlich das Feststellungsinteresse, sobald der Beklagte die Leistungswiderklage nicht mehr einseitig zurücknehmen kann (vgl. § 269 Absatz 1 ZPO). Der Kläger entgeht den Kosten (sofern welche entstehen, vgl. § 45 Absatz 1 Satz 3 GKG), wenn er die Feststellungsklage für erledigt erklärt. Ausnahmsweise bleibt die Feststellungsklage zulässig, nämlich dann, wenn sie, nicht aber die Leistungswiderklage, spruchreif ist.

Ist die positive Feststellungsklage rechtskräftig abgewiesen und erhebt der Kläger Leistungsklage, ist diese nicht unzulässig, da die Streitgegenstände nicht identisch sind. Die Rechtskraft führt aber dazu, dass der Klagegrund nicht nochmals geprüft werden darf und die Leistungsklage als unbegründet abgewiesen werden muss.

Feststellungsklage und Feststellungswiderklage:

Ist die negative Feststellungsklage erhoben und erhebt der Beklagte positive Feststellungswiderklage, ist das Feststellungsinteresse für die positive Feststellungswiderklage gegeben, und zwar, weil allein die positive Feststellungsklage nach § 204 Absatz 1 Nr. 1 BGB die Verjährung unterbricht. Die positive Feststellungswiderklage ist zulässig. Das Feststellungsinteresse für die negative Feststellungsklage entfällt. Auch hier entgeht der Kläger den Kosten nur dann, wenn er die Feststellungsklage für erledigt erklärt.

Zukunftsschäden: 

Das Feststellungsinteresse für den Ersatz von Zukunftsschäden ist nach der Rechtsprechung des BGH ( BGH NZV 1989, 432) schon dann gegeben, wenn der Beklagte den Anspruch bestreitet, Verjährung nach § 852 BGB droht (oder zumindest zweifelhaft ist, ob sie droht, BGH LM § 256 ZPO Nr. 7) und wenn künftige Schadensfolgen auch nur entfernt möglich sind, mögen Art und Umfang auch noch ungewiss sein.

Begründetheit:

Negative Feststellungsklage, Beweislast:

Die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bei der NEGATIVEN Festsstellungklage hängt nicht von dem Zufall der Parteirollen ab. Bei der negativen Feststellungsklage muss der Kläger nur behaupten und beweisen, dass sich der Beklagte ihm gegenüber eines Anspruchs berühmt; der Beklagte darf sich nicht darauf beschränken, das Nichtbestehen dieses Anspruchs zu bestreiten, sondern muss das Bestehen des Anspruchs darlegen und beweisen.

Begründet ist die Klage auf Feststellung der Ersatzpflicht für Zukunftsschäden, wenn eine nicht eben entfernt liegende Möglichkeit künftiger Verwirklichung der Schadensersatzpflicht durch Auftreten weiterer, bisher noch nicht erkennbarer und voraussehbarer Leiden besteht. Das trifft bei schweren Unfallverletzungen in aller Regel zu ( BGH NZV 1989, 432: "stets maßvolle Anforderungen" für die Zuerkennung eines solchen Anspruchs). Der Inhalt des Urteils beschränkt sich auf die Feststellung, dass ein Rechtsverhältnis zwischen den Parteien besteht, aus dem sich Schadensersatzansprüche ergeben, für den Fall, dass ein Schaden eintritt. Der Kläger muss nur noch den Ursachenzusammenhang und den Schaden nachweisen.

Streitwert (§ 3 ZPO): 

Bei der positiven Feststellungsklage Faustregel: 50 - 80 % des Wertes der entsprechenden Leistungsklage, bei der negativen Feststellungsklage Faustregel: so hoch wie der Wert des Anspruchs, dessen sich der Beklagte berühmt.

 

II.  Die Zwischenfeststellungswiderklage nach § 256 Absatz 2 ZPO

ermöglicht es, die tragenden Entscheidungsgründe, die nach § 322 Absatz 1 ZPO nicht in Rechtskraft erwachsen (wie sich aus der Existenz des § 256 Absatz 2 ZPO ergibt), rechtskräftig feststellen zu lassen. Sie kann von dem Kläger mit der Hauptklage (§ 260 ZPO), nachträglich (§ 261 Absatz 2 ZPO) oder von dem Beklagten in Form der Zwischenfeststellungswiderklage (§ 33 ZPO) erhoben werden.

Zulässigkeit:

Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses wie oben.

Statt des Feststellungsinteresses wie oben:  Präjudizialität oder Vorgreiflichkeit. Präjudiziell ist das Rechtsverhältnis, wenn es für den in der Hauptsache enthaltenen Subsumtionsschluss ein notwendiges Element ist. 

Beispiele: 

- das Eigentum für den Herausgabeanspruch nach § 985 BGB,
- die Wirksamkeit des Vertrages für vertragliche Ansprüche,
- die Wirksamkeit der Abtretung für den Anspruch des Zedenten,
- die Dauer des Vertragsverhältnisses für Rechte aus dem Vertrag. 

 

 III.  Besonderheiten in der Anwaltsklausur

 Der Kläger überlegt:

  • Bei allen Klagen auf Schadensersatz wegen Körperschäden (Verkehrsunfall, Arzthaftung), ob er einen Antrag auf Feststellung der Einstandspflicht des Beklagten für die Zukunftsschäden anbringt. Geht er so vor, ist sein Kostenrisiko nicht hoch. Sind Zukunftsschäden nach Auffassung des Gerichts nicht zu besorgen, ist auch der Streitwert für den Feststellungsantrag nur gering. Sinnlos ist es allerdings, den Antrag einfach formularmäßig und ohne nähere Darlegung der Wahrscheinlichkeit eines Zukunftsschadens zu stellen. Am sichersten ist, ein entsprechendes Sachverständigengutachten beizufügen. Macht er dies nicht, kann wegen § 14 StVG i.V.m § 852 BGB bzw. § 852 BGB alles zu spät sein (Für den Anwalt - der Mandant bekommt sein Geld (Verletzung des Anwaltsvertrages, BGH NJW 1981, 2741)).
  • Bei allen Rücktrittssklagen, ob er wegen § 756 ZPO den Antrag stellt, festzustellen, dass der Verkäufer sich mit der Rücknahme der Sache in Annahmeverzug befindet.
  • Bei Mietzinsklagen, bei denen der Beklagte das Zustandekommen eines Mietvertrages zwischen den Parteien bestreitet, die Erhebung einer Zwischenfeststellungsklage. 

Der Beklagte überlegt: 

  • Bei   j e d e r   negativen Feststellungsklage, ob er sie mit einer (positiven) Leistungswiderklage beantwortet. Dafür spricht:

a) es kostet nichts (vgl. § 45 Absatz 1 Satz 3 GKG),

b) bringt im Erfolgsfalle den Vollstreckungstitel,

c) räumt   i n s b e s o n d e r e   jeden Zweifel über die Darlegungs- und Beweislast aus. Spätestens dann ist klar, dass der Beklagte in der Angreiferrolle ist und sich nicht auf das bloße Bestreiten des Klägervortrages beschränken kann. 

 

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