Zivilprozess- und Zwangsvollstreckungsrecht für Rechtsreferendare

mit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

 

© Wolfgang Schild 1999    

Stand: 1. Juni 1999                                                                                                                  §§§

 

ÜBERBLICK    


2 In der ganz überwiegenden Mehrzahl aller "Säumnisklausuren" stehen Sie vor folgender Aufgabe: Auf Antrag des Klägers wurde der  Beklagte durch Versäumnisurteil zur Zahlung verurteilt. Gegen dieses Versäumnisurteil hat der Beklagte Einspruch eingelegt. Das auf den  Einspruchstermin ergehende Urteil ist zu entwerfen.
3 Wir werden deshalb im Folgenden den Gang des Verfahrens und den Aufbau des auf den Einspruchstermin ergehenden Urteils darstellen.
4 Lassen Sie uns vorab einige Begriffe klären:
5 Das echte  VERSÄUMNISURTEIL ist das aufgrund der Säumnis gegen die säumige Partei (GEGEN DEN BEKLAGTEN nach § 331 ZPO und  gegen den Kläger nach § 330 ZPO) ergehende Sachurteil. Rechtsbehelf: Einspruch
6 Das sog. unechte Versäumnisurteil ist das gegen den anwesenden Kläger mangels Zulässigkeit ergehende Prozessurteil oder mangels  Schlüssigkeit der Klage ergehende  Sachurteil (§ 331 Absatz 2 2. Halbsatz ZPO) und das gegen den zwar abwesenden Kläger, jedoch  nicht auf die Säumnis sondern auf unbehebbare Verfahrensmängel gestützte abweisende Prozessurteil, in jedem Falle also ein  gewöhnliches Urteil. Rechtsmittel:            
Berufung und Revision.


7 VORAUSSETZUNGEN FÜR DEN ERLASS EINES VERSÄUMNISURTEILS GEGEN DEN BEKLAGTEN

8 SÄUMNIS bei § 331 Absatz 1 Satz 1 ZPO:

9 Es muss Termin zur mündlichen Verhandlung (und nicht lediglich zur Erörterung oder Beweisaufnahme) bestimmt worden sein (§ 331  Absatz 1 ZPO), wobei gleichgültig ist, ob  es sich bei dem Termin um den ersten oder einen späteren Termin zur mündlichen Verhandlung handelt (§ 332 ZPO).
10 Beklagter ordnungsgemäß geladen (§ 335 Absatz 1 Nummer 2 ZPO, d.h.: formgerecht (§§ 214 ff., 208, 166 ff. ZPO) und fristge recht  (§§ 214 ff., insbesondere § 217 ZPO,  § 274 Absatz 3 ZPO), es sei denn Ladung sei nicht erforderlich (§ 218 ZPO)
11 Beklagter erscheint nicht (§ 331 Absatz 1 ZPO) oder verhandelt nicht (§ 333 ZPO, aber § 334 ZPO), wobei es im Anwaltsprozess nur  auf das Nichterscheinen bzw. Nichtverhandeln des Anwalts ankommt (§ 78 ZPO).
12 kein Grund zur Vertagung von Amts wegen, insbesondere muss Verschulden vorliegen (§ 337 ZPO)
13 PROBLEM: § 13 der Berufsordnung der Rechtsanwälte lautet:
 "§ 13 Versäumnisurteil
 Der Rechtsanwalt darf bei anwaltlicher Vertretung der Gegenseite ein Versäumnisurteil nur erwirken, wenn er dies zuvor dem            Gegenanwalt angekündigt hat; wenn es die Interessen des Mandanten erfordern, darf er den Antrag ohne Ankündigung stellen."
Der  Rechtsanwalt, der im Vertrauen auf § 13 BO nicht erscheint, ist allerdings nicht verhindert i.S.d. § 337 ZPO, sodass das Gericht auf    Antrag ein Versäumnisurteil erlassen muss (so schon BGH NJW 1991, 42 zu den früheren Standesrichtlinien). Davon abgesehen sollte  allerdings auch ein Richter vor Erlass eines Versäumnisurteils zumindest versuchen, die Kanzlei des nicht erschienenen Rechtsanwalts  telefonisch zu erreichen, um zu erfahren, ob dieser tatsächlich nicht auftritt oder nur in einem Stau auf 
der Autobahn steckt.

14 SÄUMNIS bei § 331 Absatz 3 Satz 1 ZPO: Versäumung der Frist zur Anzeige der Verteidigungsabsicht

15 Sach- und ProzessANTRAG DES KLÄGERS (§ 331 Absatz 1 ZPO; üblich: "... stelle ich den (Sach-) Antrag vom 9. Januar 1997 und bitte  um Erlass eines Versäumnisurteils (Prozessantrag)."), wobei auch der Prozessantrag im Falle des § 331 Absatz 3 Satz 1 ZPO bereits in der  Klageschrift gestellt werden kann (§ 331 Absatz 3 Satz 2 ZPO)

16 ZULÄSSIGKEIT DER KLAGE (§ 335 Absatz 1 Nummer 1 ZPO)
17 SCHLÜSSIGKEIT DES KLÄGERVORTRAGES (§ 331 Absatz 2 ZPO)
18 Das tatsächliche Vorbringen und die Sachanträge müssen der säumigen Partei rechtzeitig mitgeteilt worden sein (§§ 335 Abs. 1 Nr. 3, 274 Abs. 3, 132, 226 ZPO).  Die Schlüssigkeit darf also nicht erst im Termin hergestellt worden sein.


19
FEHLEN DIE VORAUSSETZUNGEN


20 10 oder 18: Zurückweisung des Antrages nach § 335 ZPO
21 12: Vertagung nach § 337 ZPO
22 16 oder 17: Klageabweisung durch unechtes Versäumnisurteil (vgl. Sie oben Randnummer 6)


23 SIND DIE VORAUSSETZUNGEN GEGEBEN: VERSÄUMNISURTEIL

24 ÜBERSCHRIFT: § 313 b Absatz 1 Satz 2 ZPO
25 TENOR:

26 TATBESTAND: § 313 b Absatz 1 Satz 1 ZPO, aber § 313 b Absatz 3 ZPO
27 ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE: § 313 b Absatz 1 Satz 1 ZPO, aber § 313 b Absatz 3 ZPO

28 NACH EINSPRUCH:
PRÜFUNG

29 ZULÄSSIGKEIT DES EINSPRUCHS:

 
30 STATTHAFT: § 338 ZPO, nicht § 345 ZPO
31 EINSPRUCHSFORM: § 340 Absatz 1 und 2 ZPO, nicht § 340 Absatz 3 ZPO, wie sich schon aus dem Verweis auf § 296 ZPO ergibt. Zu §  340 Abs. 3 ZPO: Hatte sich die  säumige Partei nicht schon vor ihrer Säumnis und auch nicht innerhalb der Frist des § 339 ZPO  eingelassen, gilt für den nach Ablauf der Frist des § 339 ZPO erfolgten Sachvortrag § 296 ZPO. Das Versäumnisurteil wird dann  regelmäßig aufrecht zu erhalten sein, weil die Klage - wegen der Zurückweisung des Beklagtenvortrags als verspätet  - begründet ist.
32 EINSPRUCHSFRIST: § 339 Absatz 1 ZPO


33 KLAUSURPROBLEM: FRISTBEGINN bei § 331 Absatz 3 ZPO (vgl. Sie dazu BGH NJW 1994, 3359 mit Besprechung in JA 1995, 268) erst  mit Zustellung an beide  Rechtsanwälte bzw., sofern keine bestellt sind, an beide Parteien. Denn die Zustellung an beide ersetzt nach §  310 Absatz 3 ZPO die Verkündung des Urteils und erst mit  Verkündung nach § 310 Absatz 1 ZPO wird das Urteil rechtlich existent. Und  ehe das Urteil rechtlich nicht existent ist, kann die Einspruchsfrist nicht laufen.


34 KLAUSURPROBLEM: FRISTBEGINN bei anwaltlich vertretener Partei erst mit Zustellung an Rechtsanwalt (§ 176 ZPO), und zwar im  Landgerichtsprozess auch dann, wenn  dieser das Mandat niedergelegt und sich noch kein anderer Rechtsanwalt bestellt hat (§ 87 Absatz  1 ZPO); die Zustellung an die Partei selbst ist unwirksam (§ 187 Satz 2  ZPO).

35 KLAUSURPROBLEM: Bei einem unstreitig rechtzeitigen EINWURF IN DEN HAUSBRIEFKASTEN kann es sein, dass der Aufgabensteller (wie  in der Klausur von Schmitz, JuS  1990, 131, 134) lesen möchte, dass das Gericht von einem rechtzeitigen Einspruch ausgehe, weil das  Gericht die Rechtzeitigkeit des Einspruchs zwar von Amts wegen zu  prüfen habe, angesichts der Tatsache, dass auch der Kläger die  Rechtzeitigkeit des Einspruchs nicht bestreite, aber keinen Anlass habe, an dem Sachvortrag des Beklagten  zu zweifeln.


36 KLAUSURPROBLEM: WIEDEREINSETZUNG: War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, die Einspruchsfrist einzuhalten, kann ihr  auf Antrag (§ 233 ZPO) oder unter  den Voraussetzungen des § 236 Absatz 2 Satz 2 2. Halbsatz ZPO von Amts wegen Wiedereinsetzung  in die versäumte Einspruchsfrist gewährt werden (Sie wird in die versäumte Einspruchsfrist - stellen Sie sich eine Badewanne vor -    "wieder- herein- gesetzt".). Die Einspruchsfrist ist dann eingehalten.
37 § 342 ZPO. Auf den zulässigen Einspruch hin ist also (nicht etwa über dessen Begründetheit, sondern) über Zulässigkeit und  Begründetheit der Klage zu entscheiden.


38
ZULÄSSIGKEIT DER KLAGE


39 BEGRÜNDETHEIT DER KLAGE: Beachten Sie: § 343 ZPO: "Insoweit ... übereinstimmt", nicht wie in § 344 ZPO: "in gesetzlicher Weise  ergangen". Es kommt also nicht  darauf  an, ob die oben Randnummern 7 - 18 genannten Voraussetzungen für den Erlass eines  Versäumnisurteils vorgelegen haben. Stellen Sie sich vielmehr vor, ein Säumnisverfahren sei nicht vorausgegangen. Stimmt der Tenor des  - ohne vorausgegangenes Säumnisverfahren - zu entwerfenden Urteils mit dem Tenor des Versäumnisurteils überein, ist dieses heute  aufrecht zu erhalten, mag es damals auch noch so falsch gewesen sein.


40 BEISPIEL: Der Kläger begehrt Restwerklohn, sagt aber kein Wort zur Abnahme (§ 641 BGB). Auf die Frage des Gerichts ergänzt er im  Termin, in dem der Beklagte säumig ist,  seinen Sachvortrag dahingehend, dass der Beklagte sich lobend über das Werk geäußert und  bereits 80 % des Werklohns gezahlt habe. Auf Antrag des Klägers erlässt das  Gericht ein Versäumnisurteil. Dieses Versäumnisurteil hätte  damals nie ergehen dürfen (§ 335 Absatz 1 Nummer 3 ZPO), wird heute - bei Begründetheit der Klage - aber aufrecht erhalten.
41 Und damit Sie nicht auf die Idee kommen, in dem Beispielsfall das damalige Versäumnisurteil aufzuheben und den Beklagten zur Zahlung  des Werklohns zu verurteilen: Lesen  Sie § 804 Absatz 3 ZPO.

42 NACH ZULÄSSIGEM EINSPRUCH PRÜFUNG:
ANTRAG NACH §§ 719, 707 ZPO?
43 1. Frage: Verspricht der zulässige Einspruch in der Sache Erfolg (§ 707 ZPO, womit Sie sich ernsthaft nur dann beschäftigen werden,  wenn die Einspruchsschrift eine  Begründung enthält)? Wenn nein: Antrag zurückweisen. Wenn ja:
44 2. Frage: Ist das Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen oder hat die säumige Partei glaubhaft (§ 294 ZPO) gemacht,  dass ihre Säumnis unverschuldet war  (§ 719 Absatz 1 Satz 2 ZPO)? Wenn nein: Einstellung nur gegen Sicherheit. Wenn ja: Einstellung  ohne Sicherheit, auch wenn die Voraussetzungen des § 707 Absatz 1 Satz 2  ZPO nicht vorliegen (OLG Köln NJW-RR 1988, 1467, 1468;  Zöller/Herget, ZPO, 20. Auflage, § 719 ZPO, Randnummer 2).
45 3. Frage: Ist die Sache so eilbedürftig, dass ohne Anhörung des Gegners entschieden werden muss: Wenn ja: "Einstellung bis zu  besserer Prüfung" oder "einstweilige  Einstellung bis zur Entscheidung über den Antrag auf einstweilige Einstellung" = "einstweilen  einstweilen". Wenn nein: Gegner anhören.
46 Und damit Sie nach allem nicht der Mut verlässt: Anfechtbar ist ihr Beschluss nur (§ 707 Absatz 2 Satz 2 ZPO) bei sog. "greifbarer  Gesetzeswidrigkeit".

47 NACH ZULÄSSIGEM EINSPRUCH: TERMIN (§ 341 a ZPO)


48
AUF TERMIN: URTEIL


49 TENOR ergibt sich aus § 343 ZPO:
50 1. MÖGLICHKEIT: Die Klage wird jetzt abgewiesen.

  1. Das Versäumnisurteil vom ... wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten seiner Säumnis (§ 344 ZPO). Im Übrigen fallen die Kosten dem Kläger zur Last.
  3. Vorläufige Vollstreckbarkeit: Normal, aber: Nicht nur der Beklagte kann Kosten vollstrecken, sondern auch der Kläger (§ 344 ZPO), und zwar regelmäßig eine 5/10 Verhandlungsgebühr, die sein Anwalt nach § 33 Absatz 1 BRAGO für den Säumnisantrag verdient hat (vgl. OLG Hamm MDR 1993, 1135) - auch bei einem Versäumnisurteil nach § 331 Absatz 3 ZPO (vgl. Sie § 35 BRAGO).

51 2. MÖGLICHKEIT: Das Versäumnisurteil wird inhaltlich voll bestätigt:

  1. Das Versäumnisurteil vom ... wird aufrecht erhalten.
  2. Der Beklagte trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
  3. Vorläufige Vollstreckbarkeit: Normal, aber: Versäumnisurteil und Schlussurteil werden als Einheit betrachtet. Bei der Abgrenzung von § 708 Nummer 11 zu § 709 Satz 1 ZPO geht die Frage also dahin, was in der Hauptsache vollstreckt werden kann. Deutlicher: Werfen Sie alles, was aus Versäumnisurteil und Schlussurteil vollstreckt werden kann, in einen Topf und entscheiden Sie danach die Frage, ob § 708 Nummer 11 oder § 709 Satz 1 ZPO. Bei der Frage, wie hoch eine nach § 709 Satz 1 ZPO festzusetzende Sicherheit ist, gilt das oben Gesagte entsprechend. Erneut geht die Frage dahin, was insgesamt vollstreckt werden kann. Und endlich: Wenn § 709 Satz 1 ZPO, dann auch § 709 Satz 2 ZPO. Nur so können Sie nämlich verhindern, dass der Kläger nach Erlass des nur gegen Sicherheit vorläufig vollstreckbaren Schlussurteils versucht, aus dem ohne Sicherheitsleistung vollstreckbaren Versäumnisurteil zu vollstrecken (vgl. Sie § 775 Nummer 2 ZPO).

52 3. MÖGLICHKEIT: Teils - teils:

  1. Das Versäumnisurteil vom ... wird insoweit aufrecht erhalten, als der Beklagte verurteilt wurde, ... DM nebst ... Zinsen an den Kläger zu zahlen. Im Übrigen wird es aufgehoben und die Klage abgewiesen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten seiner Säumnis. Von den Kosten des Rechtsstreits,im Übrigen tragen der Beklagte ... und der Kläger ... .
  3. Vorläufige Vollstreckbarkeit: Normal (vgl. Randnummern 50, 51).

 

53 TATBESTAND:

 54 Prozessgeschichte, soweit Säumnis betreffend, vor dem aktuellen Klägerantrag ("beantragt, das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten"), weil dieser ohne Kenntnis des Versäumnisurteils nicht verständlich ist. Üblich ist, nach streitigem Klägervortrag und vor Klägerantrag wie folgt zu formulieren:


FORMULIERUNGSVORSCHLAG: Mit Versäumnisurteil vom 24. Mai 1999 hat die Kammer die Beklagte auf Antrag des Klägers verurteilt, an den Kläger 17.000,00 DM nebst 13 % Zinsen seit dem 28. Dezember 1998 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rücknahme des PKW Gehfortt Devinette, ... . Gegen dieses der Beklagten am 28. Mai 1999 (und im Falle des § 331 Absatz 1 ZPO: und dem Kläger am 7. Juni 1999) zugestellte Versäumnisurteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 17. Juni 1999, eingegangen bei Gericht am 18. Juni 1999, Einspruch eingelegt.
Der Kläger beantragt, ... .

55 Ein Antrag und eine eventuelle Einstellung der Zwangsvollstreckung nach §§ 719, 707 ZPO tauchen dagegen nicht auf, weil Sie darüber nicht mehr entscheiden müssen.

56 ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

57 mit einem auch für Laien verständlichen EINLEITUNGSSATZ beginnen:

FORMULIERUNGSVORSCHLAG:

Der Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom ... ist zulässig. Er ist statthaft (§ 338 ZPO) und form- (§ 340 Absatz 1 und Absatz 2 ZPO) und fristgerecht (§ 339 Absatz 1 ZPO) eingelegt worden; denn ... . Durch den zulässigen Einspruch ist der Prozess in die Lage zurückversetzt worden, in der er sich vor Eintritt der Säumnis befand (§ 342 ZPO). Mithin ist über die Zulässigkeit und die Begründetheit der Klage zu entscheiden und vorliegend das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten. Denn die Entscheidung, die aufgrund der neuen Verhandlung zu erlassen ist, stimmt mit der in dem Versäumnisurteil enthaltenen Entscheidung überein (§ 343 ZPO).

Die Klage ist begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf ... .

58 Beachten Sie erneut: § 343 ZPO: "Insoweit ... übereinstimmt", nicht wie in § 344 ZPO: "in gesetzlicher Weise ergangen".

59 Bei den Nebenentscheidungen an § 344 ZPO denken, wenn das Versäumnisurteil aufgehoben wird, und an § 709 Satz 2 ZPO, wenn das Versäumnisurteil aufrecht erhalten wird und nach § 709 Satz 1 ZPO vollstreckbar ist.

60 Ist die Zwangsvollstreckung nach §§ 719, 707 ZPO eingestellt, kann es nicht schaden zu erwähnen, dass Sie über den Fortbestand der Einstellung nicht entscheiden müssen, weil diese Wirksamkeit nur bis zur Urteilsverkündung beansprucht.

61 NACH UNZULÄSSIGEM EINSPRUCH:

62 Kommen Sie in der Examensklausur zu diesem Ergebnis, spricht, wenn auf der Beklagtenseite nur eine Person steht, alles dafür, dass Sie einen Fehler begangen haben. Finden Sie den Fehler nicht, erstellen Sie ein Hilfsgutachten. Sind auf der

Beklagtenseite zwei Personen, kann es sein, dass der Einspruch der einen zulässig und der der anderen unzulässig ist (Schön !!! Kostenentscheidung nach der Baumbach'schen Formel !!!).

63 1. Möglichkeit (Regelfall): Verwerfung des Einspruchs durch Beschluss nach § 341 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 1 ZPO, dann Tenor:

  1.  Der Einspruch des ... gegen das Versäumnisurteil vom ... wird als unzulässig verworfen.
  2.  Der Beklagte trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
  3.  Zur vorläufigen Vollstreckbarkeit wegen § 794 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 ZPO nichts

64 2. Möglichkeit (Ausnahmefall): Verwerfung des Einspruchs nach mündlicher Verhandlung (§ 341 a ZPO) durch Urteil, dann Tenor:

  1.  Der Einspruch des ... gegen das Versäumnisurteil vom ... wird als unzulässig verworfen.
  2.  Der Beklagte trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
  3.   Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 708 Nummer 3 ZPO.

65 ZUR VERTIEFUNG UND ERGÄNZUNG:

66 WIEDEREINSETZUNG:

67 Beachten Sie für den Fall eines ANTRAGES des BEKLAGTEN, in die versäumte Einspruchsfrist wieder eingesetzt zu werden:

68 TENOR im Falle der Begründetheit des Antrages:

  1. Dem Beklagten wird Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist gewährt. Das Versäumnisurteil vom ... wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten der Wiedereinsetzung (so tenorieren Sie - wegen § 238 Absatz 4 ZPO - auf jeden Fall, selbst wenn gar nicht erkennbar ist, welche Kosten anfallen sollten; dann ist der Tenor insoweit halt ein "Leertitel") und die Kosten seiner Säumnis. Im Übrigen fallen die Kosten dem Kläger zur Last.
  3. Vorläufige Vollstreckbarkeit wie oben Randnummer 50

69 TENOR im Falle der Unbegründetheit des Antrages:

  1. Der Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist wird zurückgewiesen. Der Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom ... wird als unzulässig verworfen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits fallen dem Beklagten zur Last.
  3. Vorläufige Vollstreckbarkeit wie oben Randnummer 64


70 Im TATBESTAND heißt es in Ergänzung zu oben Randnummer 54 regelmäßig:

FORMULIERUNGSVORSCHLAG:

... hat der Beklagte Einspruch eingelegt.


Der Kläger beantragt,
den Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom ... als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise,
das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten.


Der Beklagte beantragt,
1. ihm Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist zu gewähren,
2. das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.


Folgt, zu Anfang des streitigen Beklagtenvortrages, der Sachvortrag des Beklagten zum Wiedereinsetzungsantrag ("Zur Begründung des Widereinsetzungsantrages behauptet der Beklagte, ..."). Folgt der Sachvortrag des Beklagten zur Klage ("In der Sache behauptet der Beklagte, ...).

Folgt, zu Anfang des streitigen Beklagtenvortrages, der Sachvortrag des Beklagten zum Wiedereinsetzungsantrag ("Zur Begründung des Widereinsetzungsantrages behauptet der Beklagte, ...").                                                                                                     Folgt der Sachvortrag des Beklagten zur Klage ("In der Sache behauptet der Beklagte, ...).

 

71 In den ENTSCHEIDUNGSGRÜNDEN müssen Sie in Gedanken die folgenden Punkte "abhaken":

    - Zulässigkeit des Einspruchs:

  • Statthaft (§ 338 ZPO, nicht § 345 ZPO)
  • Einspruchsform (§ 340 ZPO)
  • Einspruchsfrist (§ 339 ZPO) verstrichen
  • aber nach § 233 ZPO Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist
  • Wiedereinsetzungsantrag zulässig
  • statthaft (§§ 233, 339 Absatz 1 ZPO)
  • Antragsform (§ 236 ZPO)
  • Antragsfrist (§ 234 Absatz 1, Absatz 3 ZPO)
  • Zuständigkeit (§ 237 ZPO)
  • Wiedereinsetzungsantrag begründet. Die Partei muss ohne ihr Verschulden verhindert gewesen sein, die (Not-)Frist zu wahren. Hier liegt in aller Regel der Schwerpunkt der "Wiedereinsetzungsklausur". Ein Verschulden des gesetzlichen Vertreters (§ 51 Absatz 2 ZPO) oder des Prozessbevollmächtigten (§ 85 Absatz 2 ZPO) werden der Partei zugerechnet, nicht aber ein Verschulden des Büropersonals des Prozessbevollmächtigten, sofern dieser das Personal ordnungsgemäß ausgesucht und überwacht hat.
  • Zulässigkeit der Klage
  • Begründetheit der Klage


72 BEACHTE: In der Praxis werden im streitigen Beklagtenvortrag die Wiedereinsetzungsgründe - wenn überhaupt - nur kurz dargestellt; in den Entscheidungsgründen wird die Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist oft mit einer bloßen Wiedergabe des Gesetzeswortlauts ("... da der Beklagte ohne sein Verschulden verhindert war, die Einspruchsfrist einzuhalten.") begründet. Das liegt an § 238 Absatz 3 ZPO. In der Examensklausur rate ich zu ausführlicherer Darstellung ("Wenn er (der Aufgabensteller) es denn lesen will ..."). Gleichwohl: "Das" Problem der Klausur liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht bei der Wiedereinsetzung; also halten Sie sich nicht zu lange damit auf.
73 Beachten Sie für den Fall eines ANTRAGES des KLÄGERS, in die versäumte Einspruchsfrist wieder eingesetzt zu werden:
74 Prozessgeschichte, soweit Säumnis betreffend, vor dem streitigen Klägervortrag. Denn dann fügt sich der Sachvortrag des Klägers zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages nahtlos in den streitigen Klägervortrag ein.

75 SONSTIGES

76 Was ist ein sog. ZWEITES VERSÄUMNISURTEIL (§§ 345, 700 Absatz 6, 513 Absatz 2, 566 a ZPO)?
77 Was, wenn nach vorausgegangenem Mahnverfahren und VOLLSTRECKUNGSBESCHEID nach Einspruch des Beklagten Haupttermin bestimmt wird und der Beklagte säumig ist (§§ 700 Absatz 1, Absatz 6 ZPO)?
78 Wodurch unterscheidet sich die AKTENLAGEENTSCHEIDUNG nach § 331 a ZPO von dem Versäumnisurteil nach § 331 ZPO?
Im Rubrum heißt es nicht: "auf die mündliche Verhandlung vom ..." sondern: "nach Lage der Akten am ... (folgt das Datum der versäumten mündlichen Verhandlung)".
Im Tenor gilt
- bei den Kosten nicht § 344 ZPO (warum nicht?)
- aber bei der vorläufigen Vollstreckbarkeit, ganz wie beim Versäumnisurteil, § 708 Nummer 2 ZPO.
Im Tatbestand ziehen Sie die Prozessgeschichte, soweit Säumnis betreffend, vor den Klägerantrag ("beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn ... zu zahlen und bittet, über diesen Antrag durch Aktenlageentscheidung zu entscheiden"), weil dieser ohne Kenntnis der Säumnis nicht verständlich ist.
In den Entscheidungsgründen wird die Rechtslage anders als beim Versäumnisurteil nicht aufgrund des tatsächlichen mündlichen Vorbringens des Klägers, sondern aufgrund des Sachvortrages beider Parteien beurteilt. § 138 Absatz 3 ZPO gilt! Der Sachvortrag muss der jeweils anderen Partei aber rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt worden sein (§ 335 Absatz 1 Nummer 3 ZPO analog). Auch eventuelle Beweisergebnisse werden berücksichtigt.
79 Was, wenn SÄUMNIS BEIDER PARTEIEN (Ruhen des Verfahrens nach §§ 251 a Absatz 3, 251 ZPO; Vertagung nach §§ 251 a Absatz 3, 227 ZPO oder Aktenlageentscheidung nach § 251 a ZPO)?

80 BESTE DARSTELLUNG
81 ANDERS/GEHLE, Assessorexamen, Randnummern 405 ff., zu Kosten und vorläufiger Vollstreckbarkeit: ANDERS/GEHLE, Zivilurteil, Teil B, Randnummern 499 ff., Teil C, Randnummern 98 ff, nett zu lesen auch: Ebner, ausgewählte Probleme des Säumnisverfahrens, JA 1996, 583 ff.

82 ANWALTSKLAUSUR

83 Der Kläger überlegt:
84 Stelle ich bereits in der Klageschrift den Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils (§ 331 Absatz 3 Satz 2 ZPO)?
85 Der Beklagte überlegt vor Erlass des Versäumnisurteils:
86 Flüchte ich in die Säumnis? Vorteil: Ich kann die 
Zurückweisung meines Vorbringens als verspätet u.U. umgehen. Nachteil: Der Kläger bekommt ein ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbares Urteil (§ 708 Nummer 2 ZPO).

Weiterer Nachteil: Kosten (§ 344 ZPO).
87 Der Beklagte überlegt nach Erlass des Versäumnisurteils:
88 Kann ich noch Einspruch einlegen? Die Einspruchsfrist beginnt bei dem in einer oder auf eine mündliche Verhandlung verkündeten Versäumnisurteil mit der Zustellung an die säumige Partei (§ 339 Absatz 1 ZPO), bei dem Versäumnisurteil
nach § 331 Absatz 3 ZPO mit der Zustellung an beide Parteie n (§ 310 Absatz 3, Absatz 1 ZPO).
89 Kann ich Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist beantragen? Das setzt zum einen voraus, dass ich ohne mein Verschulden an der Einhaltung der Einspruchsfrist gehindert war (§ 233 ZPO). Zum anderen muss der Antrag binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses, d.h. hier: nach Kenntnis von dem Versäumnisurteil, gestellt werden (§ 235 Absatz 1 und 2 ZPO).
90 Will ich noch Einspruch einlegen? Lege ich keinen Einspruch ein, werde ich verurteilt, das ist aber immer noch kostengünstiger als ein kontradiktorisches Urteil.
91 Stelle ich einen Antrag nach §§ 707, 719 ZPO?

92 BESTE DARSTELLUNG
93 Anders/Gehle, Assessorexamen, ab der 5. Auflage, Randnummern 428 a ff.

  Beispielsfall mit Urteil

  weitere Fälle

  Lösungen

 

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