|
- Die Rechtsverteidigung ist Erfolg versprechend, wenn das Bestreiten erheblich und für die in der Beweislast des Beklagten/Antragsgegners stehenden Behauptungen Beweis angeboten ist. Also denkbar: Prozesskostenhilfe für beide Parteien. Bei schwierigen Rechtsfragen ist eine großzügige Bewilligung von Prozesskostenhilfe geboten. Das Prozesskostenhilfeverfahren soll den verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern erst ermöglichen (vgl. anschaulich BVerfG FamRZ 1993, 664). Beachte die Erleichterung in höherer Instanz (§ 119 Abs. 1, Satz 2 ZPO). In dubiosen Sachen können strengere Anforderungen gestellt werden. Das Gericht kann verlangen, dass der Antragsteller seine tatsächlichen Angaben glaubhaft macht (§ 118 Absatz 2 Satz 1 ZPO) und einzelne Erhebungen anstellen (§ 118 Absatz 2 Satz 2 ZPO). Zeugen und Sachverständige darf es in der Regel noch nicht vernehmen (§ 118 Absatz 2 Satz 3 ZPO).
Prozesskostenhilfeverfahren als Test:
- Die Partei kann die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen (§ 114 ZPO). Zunächst ist das Bruttoeinkommen des Antragstellers zu bestimmen (§ 115 Absatz 1 Satz 1 und 2 ZPO). Beachte: Hat der Ehegatte ein eigenes Einkommen, wird dieses nicht dem Bruttoeinkommen des Antragstellers hinzugezählt. Ansonsten müsste der Ehegatte auch für Prozesskosten in nicht persönlichen Angelegenheiten aufkommen, für die er nach §§ 1360 a Absatz 4, 1361 Absatz 4 Satz 4 BGB gerade nicht aufzukommen braucht (OLG Köln JurBüro 1994, 751). Das eigene Einkommen des Ehegatten findet nur in der Weise Berücksichtigung, dass sich der für den Ehegatten nach § 115 Absatz 1 Satz 3 Nummer 2 Satz 1 ZPO einzusetzende Freibetrag von 411,00 € (ab 1. Juli 2012) um das Einkommen des Ehegatten vermindert (§ 115 Absatz 1 Satz 3 Nummer 2 Satz 2 ZPO). Von dem Bruttoeinkommen sind insbesondere abzusetzen (§ 115 Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 ZPO i.V.m. § 76 Absatz 2 und Absatz 2 a BSHG) Steuern, Sozialversicherungsbeiträge, sonstige Versicherungsbeiträge, soweit diese gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind, und Werbungskosten. Von dem Bruttoeinkommen sind weiter abzusetzen (§ 115 Absatz 1 Satz 3 Nummer 2 ZPO) für den Antragsteller und seinen Ehegatten derzeit je 411 €, für Kinder zurzeit je 241 € - 329 € (altersabhängig) nach den §§ 79 Absatz 1 Nummer 1, 82 BSHG. Ist der Antragsteller erwerbstätig, kommt ein Abzug von derzeit 187 € hinzu (s. Prozesskostenhilfebekanntmachung 2012 - PKHB 2012 - in BGBl. Jahrgang 2011 Teil 1 Nr. 67 vom 21. 12. 2011).
Von dem Bruttoeinkommen sind endlich abzusetzen (§ 115 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 ZPO) besondere Belastungen, also Schulden und Abzahlungsverpflichtungen, die schon vor Antragstellung eingegangen wurden, soweit angemessen. Das restliche Einkommen wird in die Tabelle des § 115 Absatz 1 Satz 4 ZPO gesetzt. Aus der Tabelle ergeben sich die Raten. Beachte: Bereits gepfändete Einkünfte zählen nicht mehr zum Einkommen, da der Antragssteller sie zur Bestreitung der Verfahrenskosten nicht einsetzen kann. Ausnahmsweise kann jedoch das erzielbare statt des tatsächlichen Einkommens angesetzt werden, wenn es sonst zu einer rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme der PKH durch Arbeitsunwillige käme.
- Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn die Kosten der Prozessführung vier Monatsraten und die aus dem Vermögen aufzubringenden Teilbeträge voraussichtlich nicht übersteigen (§ 115 Absatz 3 ZPO).
Wird die arme Partei wieder reich, gilt § 120 Absatz 4 ZPO. Für die Partei kraft Amtes und die juristischen Personen gilt § 116 ZPO.
- Die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung darf nicht mutwillig sein (§ 114 ZPO). Die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung ist mutwillig, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde, also etwa dann, wenn die Vollstreckung aussichtslos erscheint.
Folgen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe:
- Die Bewilligung bewirkt die vorläufige oder endgültige Befreiung von den in der "Antragsinstanz" (§ 119 Absatz 1 Satz 1 ZPO) entstehenden Gerichtskosten (§ 122 Absatz 1 Nummer 1 a ZPO) und den eigenen Anwaltskosten (§ 122 Absatz 1 Nummer 3 ZPO). Dabei ordnet das Gericht regelmäßig die Rückwirkung der Prozesskostenhilfe auf den Zeitpunkt an, zu dem erstmals ein formgerechter Antrag gestellt und die Erklärung über die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse einschließlich entsprechender Belege vorgelegt wurde (vgl. Zöller/Philippi, a.a.O., § 119 ZPO, Randnummer 39). - Die Bewilligung bietet keinen Schutz vor dem prozessualen Kostenerstattungsanspruch des obsiegenden Gegners (§ 123 ZPO), wobei dieser nicht nur die außergerichtlichen Kosten des obsiegenden Gegners, sondern auch bereits gezahlte Gerichtskosten umfasst. - Die Beiordnung eines Rechtsanwalts, § 121 Absatz 1 ZPO, als solche gibt dem Rechtsanwalt keine Prozessvollmacht; sie und seine Rechtsbeziehungen zur Partei beurteilen sich wie sonst nach §§ 675, 164 BGB. Nach § 121 Absatz 2 ZPO ist der "armen" Partei - auf Antrag - ein Anwalt beizuordnen, wenn die Vertretung erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist. Ein auswärtiger Anwalt wir zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts beigeordnet, § 121 Absatz 3 ZPO.
Verfahren:
- Das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren wird eingeleitet durch einen Antrag, regelmäßig mit Klageentwurf (§ 117 Absatz 1 Satz 2 ZPO) oder Klagerwiderung und mit dem Vordruck für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 117 Absatz 2 - 4 ZPO). Der Antrag muss beim zuständigen Gericht aber vor Abschluss der Instanz eingegangen sein. Nach Beendigung der Instanz kann Prozesskostenhilfe nur noch rückwirkend bewilligt werden, wenn das Gericht sie bereits vor der Beendigung hätte bewilligen müssen (vgl. Zöller-Geimer, a.a.O., § § 117 Rn 2b a) mit w. Nachw). - Es erfolgt die Anhörung des Gegners zur Prüfung der Erfolgsaussichten (§ 118 Absatz 1 Satz 1 ZPO), jedoch nicht zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen; der Vordruck nebst Belegen gehört deshalb in ein Beiheft (sog. PKH-Heft). - Die Entscheidung ergeht regelmäßig ohne mündliche Verhandlung, anders ausnahmsweise, wenn eine Einigung zu erwarten ist, § 118 Absatz 1 Satz 3 ZPO.
- Bewilligung und Ablehnung ergehen ohne Kostenentscheidung (es entstehen keine Gerichtsgebühren; zu den Parteiauslagen vgl. § 118 Absatz 1 Satz 4 ZPO).
Zeitpunkt der Entscheidung: Das Problem ist nicht die Entscheidung über PKH des Klägers, der einen von der Bewilligung abhängigen Klageentwurf eingereicht hat. In diesem Fall wird die Klage ja erst nach Bewilligung zugestellt und es sind bis zum PKH-Beschluss noch keine Prozesskosten angefallen. Es findet auch keine Erstattung außergerichtlich entstandener Kosten statt, selbst wenn sich der anwaltlich vertretene Gegner auf Anhörungsersuchen geäußert hat. Die gerichtliche Entscheidung hat grundsätzlich zu erfolgen, wenn sie objektiv möglich ist (Entscheidungsreife des PKH-Antrags), also ohne Verzögerung, auch wenn es für das Gericht eine Arbeitsvereinfachung darstellt, das Gesuch des Beklagten z.B. erst im 1. Verhandlungstermin zu entscheiden. Wird beispielsweise der PKH-Antrag des Beklagten erst im Verhandlungstermin zurückgewiesen, hat der Beklagte das Recht auf Vertagung, dem das Gericht auf Antrag stattgeben muss (vgl. Zöller-Geimer, ZPO, 28. Aufl. § 118 Rd 14a mit w. Nachw.). Beantragt der Beklagte PKH bereits im schriflichen Vorverfahren innerhalb der Frist, die ihm für die Anzeige der Verteidigungsanzeige gem. § 276 I 1 ZPO gesetzt ist, darf in entsprechender Anwendung von § 337 ZPO auch bei Ablauf dieser Frist ohne erfolgte Verteidungungsanzeige kein in der Klageschrift bereits beantragtes Versäumnisurteil erlassen werden, bevor nicht das Gericht den PKH-Antrag beschieden hat (s. auch Zöller-Geimer, a.a.O. § 117 Rn 4a mit w. Nachw.). Bei abschlägiger Entscheidung ist dem Antragsteller vielmehr durch entsprechende Terminierung grundgesetzgemäß (Art. 3 I, 103 GG) die erforderliche Zeit einzuräumen, um sich auf die neue Verfahrenslage einstellen zu können. - VGH München (Beschluß vom 7. 2. 2005 - 10 C 05.83): Der Mangel an genügenden Erkenntnissen für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung im Verfahren der Prozesskostenhilfe führt nicht dazu, die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag auf einen Zeitpunkt nach Erlass des Urteils hinauszuschieben, sondern dazu, dass Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist.
Rechtsmittel: Gegen die Nichtbewilligung ist die sofortige Beschwerde des Antragstellers statthaft (§ 127 Absatz 2 Satz 2 ZPO), wenn die Sache berufungsfähig ist. Die Notfrist beträgt 1 Monat (§ 127 Absatz 2 Satz 3 ZPO).
Beachte:
Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (kann am Bildschirm ausgefüllt und anschließend ausgedruckt werden)
|
|||||